Können wir in Zeiten des Klimawandels mit der Kunst so weitermachen wie bisher – oder stehen Museen, Theater, Galerien und Biennalen zur Disposition? Ganz bestimmt nicht, meint der Kultur- und Nachhaltigkeitsexperte Jacob Sylvester Bilabel. In der aktuellen Ausgabe des Podcasts "Fantasiemuskel" erklärt er, wie man mit "Betriebsökologie" nicht nur Nachhaltigkeit ermöglicht, sondern auch die Kunstfreiheit sichern kann.
Jacob Sylvester Bilabel ist Experte für Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit und leitet die Green Culture Anlaufstelle des Bundes in Deutschland. Außerdem hat er das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien initiiert, mit dem er Institutionen wie die Volksbühne Berlin, die Stiftung Bauhaus Dessau oder die Villa Massimo auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit begleitet. Sein eigener Weg von der Kunst in die Nachhaltigkeit begann bei der Popmusik und führte zum Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, wo er vor 15 Jahren eine Art Erweckungserlebnis hatte.
Seitdem widmet er sich dem Thema Kunst und Nachhaltigkeit. Dabei ist er, wie er den Podcastern Friedrich von Borries und Torsten Fremer berichtet, "kein Kunstinteressierter. Ich bin interessiert an den Menschen, die Kultur machen, weil die fand ich dann immer irgendwann spannender als Menschen, die andere Dinge gemacht haben."
Probleme lauern da, wo man sie nicht erwartet
Inzwischen hat Bilabel ein neues Berufsfeld geschaffen. "Wir helfen der Kultur, die ersten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu machen." Die Kernfragen sind dabei, so Bilabel, immer die gleichen. "Was müsst ihr tun? Was wollt ihr tun? Was sollt ihr tun? Was glaubt ihr, dass ihr tun sollt?" Schließlich lauern, so Bilabel, die Probleme oft da, wo man sie gar nicht vermutet. So seien die Emissionen durch die eigentliche Kunstproduktion in der Regel überschaubar, viel wichtiger seien die Systeme, die dahinterstehen. "Es geht es um Fragen von Heizung, Kühlung, Lüftung und Ressourcenmobilität. Und es geht eben nicht um Fragen, die die Kunstfreiheit beeinträchtigen" – sondern um das, was Bilabel "Betriebsökologie" nennt.
Dazu gehören dann aber doch auch schmerzhafte Fragen. So gilt es auszuhandeln, in welcher Art von Ausstellungsräumen wir in der Zukunft Kunst zeigen und wir gehen wir mit den meist noch viel größeren, stets gekühlten Depots um? "Wenn man schon 28 Pfeilspitzen hat", so fragt Bilabel polemisch, "braucht man dann noch die 29te?" Und, nicht minder polemisch: Müssen Kunstwerke wirklich für die Unendlichkeit konserviert werden?
Bilabel kennt die Angst von vielen Künstlerinnen und Künstlern, dass das Streben nach mehr Nachhaltigkeit Freiräume einschränken könnte. Dabei geht es ihm um das Gegenteil, er will die Kunstfreiheit unbedingt erhalten, selbst wenn eine Künstlerin, so Bilabel überspitzt, "ein Stück mit Babyblut und Robbenfellen" machen will. Denn zum einen sieht er Beschränkung als Treibstoff für Kreativität, zum anderen will er die Gesellschaft für die positiven Auswirkungen von Kunst sensibilisieren. Denn die Idee einer klimaneutralen Kultur konsequent zu Ende gedacht würde ja bedeuten: Wir machen gar keine Kultur mehr. Und das wäre bestimmt keine gute Lösung!
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