Ein Zeichen zwischen mir und euch
Ausstellung: 30. Mai bis 11. Juni 2024
Vernissage mit Einführungen: 29. Mai 2024, 19-21 Uhr
Mouches Volantes präsentiert
Ein Zeichen zwischen mir und euch.
Ausstellung im Rahmen des Festivals »Aufschimmern. Zeit für jüdischen Kunst in Köln", 28.-31. Mai 2024 nähere Informationen: https://aufschimmern.de/
kuratiert von Alexander Estis und Gundula Schiffer
mit Arbeiten von
Nikolai Estis
Lydia Schulgina
Josua Reichert
Karl Neuwirth
Ein Zeichen zwischen mir und euch ‒ führt im Mikrokosmos des Galerieraumes drei für
sich stehende, schöpferische Welten aus Malerei, Relief und Typographie zusammen. Über flimmernde Verbindungslinien, ein sichtbares Zuflüstern scheinen darin Dimensionen ihres jüdischen Erbes auf. Die ikonenhell erleuchteten Gemälde von Nikolai Estis inszenieren den „Boten“ bzw. „Engel“ als eine wiederkehrende Figur, während sich der stürmische Pinselstrich im „Babylon“-Zyklus der abstrakten Schraffur von Handschriftlichem nähert.
Lydia Schulgina umhüllt die „Stimmen“ der Ahnen mit in Wandfarbe getauchtem
Zeitungspapier, gibt ihnen einen fragilen Leib und Münder, damit sie zu uns heute sprechen, wie etwa die Gestalt des Moses mit der Torarolle und unterstützt durch eine fragmentarische hebräische Unterschrift. Josua Reichert und Karl Neuwirth bringen die gesungenen Psalmen in farbigen Einblattdrucken an die Wand und machen den kunstvollen Bau dieser altorientalischen, hebräischen Poesie optisch begreiflich. So kann das einzigartige Alphabet, das die schwebenden Zeichen dieser Werke formieren, ein synästhetisches Gespräch stiften – untereinander und mit den Betrachtenden.
Titel-Bild: Lydia Schulgina, Grafik aus dem Zyklus „Klagemauer“, 1994 (Ausschnitt).
Die Künsteler:innen:
Nikolai Estis: Geboren 1937 in Moskau, erschuf in rund 60 Jahren eine unverwechselbare Bildwelt zwischen Abstraktion und Figürlichkeit, die von jüdischen und biblischen Traditionen getragen ist. Das Werk des Künstlers wurde in über 70 Einzelausstellungen präsentiert und befindet sich in zahlreichen Museen und Sammlungen weltweit (u. a. in der Staatlichen Tretjakow-Galerie und im Puschkin- Museum für Bildende Kunst in Moskau und im Staatlichen Kunstmuseum Estland). Mehr als hundert Beiträge in Periodika und Sammelwerken widmen sich dem Schaffen des Künstlers. Sein Name hat
u.a. in die in Russland verlegte »Jüdische Enzyklopädie« (Moskau 1997) sowie in das »Allgemeine Künstlerlexikon (AKL)« des de Gruyter-Verlags (München 2003) Eingang gefunden. Nikolai Estis lebt und arbeitet in Pinneberg bei Hamburg.
Lydia Schulgina: Geboren 1957 in Moskau, erregt mit ihrem Lebenswerk als Grafikerin, Malerin und Bildhauerin seit vielen Jahren das Interesse des deutschen, russischen und internationalen Publikums; viele Museen und Sammlungen (u.a. die Tretjakow-Galerie, das Russische Museum in St. Petersburg, das Altonaer Museum Hamburg) bewahren Arbeiten der vielfach ausgezeichneten Künstlerin. Ihre Werke befassen sich in einer formal einzigartigen Weise mit Religion und Moderne und wagen den Versuch, beides zu vereinen sowie christliches und jüdisches Denken zu einer künstlerischen Synthese zu führen. Insbesondere haben ihre Arbeiten verschiedene Facetten des
jüdischen Glaubens und Lebens kurz vor der Katastrophe zum Inhalt – dank dem tagesaktuellen Material der Zeitung gerettet in die Gegenwart. Lydia Schulgina verstarb 2000 in Pinneberg.
Josua Reichert: Geboren 1937 in Stuttgart, war ein Drucker, Typograf, Grafiker und Autor, der seit 1972 in Haidholzen bei Rosenheim lebte. Er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe u.a bei HAP Grieshaber. Seine „Poesia Typographica“, in der Schrift und Bild erfinderisch ineinander aufgehen, verschiedene Alphabete und Literaturen der Welt sich begegnen, hat ihn zu einem der bedeutendsten zeitgenössischen Typographen gemacht. Seine Drucke wurden
in über 200 Einzelausstellungen im In- und Ausland präsentiert, z. B. in Hamburg, Berlin, Stuttgart, München, Dublin, Amsterdam, Paris, Rom und Istanbul. Josua Reichert verstarb 2022 in Stephanskirchen.
Karl Neuwirth: Geboren 1943 in Karlsbad und aufgewachsen in München, war ein Hebraist und Arabist. Er studierte und lebte einige Jahre in Israel; während dieser Zeit war er für das Goethe-Institut und den DAAD tätig. Ende der 1980er Jahre kehrte er nach München zurück, baute die internationale Poesie-Bibliothek des Lyrik Kabinetts mit auf und unterrichte an der Ludwig-Maximilians-Universität am Institut für Komparatistik. Gemeinsam mit Josua Reichert schuf er den Haidholzener Psalter, ein work in progress aus Einblattdrucken der Psalmen, wobei ihm die poetische Einrichtung der
hebräischen Texte oblag. Karl Neuwirth verstarb 2016 in München.
Die Kurator:innen:
Alexander Estis: 1986 in einer Moskauer Künstlerfamilie geboren, ist Schriftsteller und Kolumnist. Er studierte in Hamburg deutsche und lateinische Philologie und lehrte anschließend Literatur an verschiedenen Universitäten in Deutschland und in der Schweiz, wo er seit 2016 als freier Autor lebt. Bislang hat Alexander Estis sieben Bücher publiziert; 2022 erschien sein Prosaband Fluchten, in dem er sich mit realen und fiktiven Fluchtgeschichten befasst. Er schreibt u.a. für FAZ, SZ, NZZ und den Deutschlandfunk. Für seine Texte erhielt er mehrfach Auszeichnungen und Stipendien, zuletzt den Kurt-Tucholsky-Preis 2023. In seiner zwei-wöchentlichen Kolumne »Ezzes von Estis« lässt er den jüdischen Witz hochleben.
Gundula Schiffer: geboren 1980 in Bergisch Gladbach, lebt als Dichterin und Übersetzerin in Köln; sie schreibt auf Deutsch und Hebräisch. In München und Jerusalem hat sie Komparatistik, Kunstgeschichte sowie hebräische Sprache und Literatur studiert und zur Poesie der Psalmen promoviert. Nach dem Lyrikband Hioba Hymore (2023) erhielt Gundula Schiffer zuletzt ein Arbeitsstipendium der Kunststiftung NRW für ihr fünftes Buch Fremde Einkehr. Israel im Stickrahmen (erscheint im Herbst 2024). Im Dezember 2023 war sie im Rahmen einer Residenz zu Gast im Scholem Asch Haus in Bat Jam, Israel.