Ein traditionelles Palästinensertuch bildet das Zentrum des vielfarbigen Patchworkteppichs "Palestinian Vase in a Window" (1999) gleich im Eingang. Umgeben von geblümten Stofffeldern, sind darauf unregelmäßige Textilreste radial angeordnet wie zu einem Blumenstrauß oder einer Explosion, als wollten sie die Frage aufwerfen: Liegt es nicht nur an unserer Vorstellungskraft, ob wir eine blühende oder zerstörte Welt sehen (und schaffen) wollen?
Mit "Noa Eshkol – No Time to Dance" präsentiert das Georg Kolbe Museum eine subtile, intelligente und gerade in unserer Zeit wichtige Ausstellung der israelischen Tänzerin und Künstlerin, die in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Aus ihren minimalistischen Choreografien entwickelte sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Architekten Abraham Wachmann, in den 1950er-Jahren die Eshkol-Wachmann-Bewegungsnotation, die die universelle Sprache des Tanzes in ein grafisches Notationssystem überträgt, das experimentelle und wissenschaftliche Aspekte verbindet. Bis heute existiert die Noa Eshkol Chamber Dance Group in der siebten Generation, die 2023 in den KW Institute for Contemporary Art zu sehen war.
Der Titel "No Time to Dance" beruht auf einem Zitat von Noa Eshkol von 1973, als einer ihrer Tänzer zum Jom-Kippur-Krieg eingezogen wurde. Damals, vor 50 Jahren, unterbrach sie ihre Bewegungs-Arbeit, um sich stattdessen mit ihrem Ensemble den großen Wandteppichen aus Stoffresten zu widmen. Offenbar bedürfen wir nach dem 7. Oktober 2023 mehr denn je solch universeller Sprachen der Verständigung und gemeinschaftlicher Arbeitsweisen, wie sie die Künstlerin Noa Eshkol entwickelt hat. Wie universell und aktuell ihr Ansatz ist, zeigt sich in der Ausstellung nicht zuletzt in den expliziten Bezugnahmen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler wie Sharon Lockhart, Omer Krieger oder Yael Bartana auf ihr Werk.
Noa Eshkol in Berlin