Im Jahr 1995 erinnerte sich der berühmte Fotograf Irving Penn an "die Feinheit in der Beziehung zwischen diesen jungen Menschen und eine Unschuld, die so anders ist als jene der heutigen Zeit. Wenn ich mir diese Bilder ansehe, wie die Tänzer sich berühren, wie sie sich umarmen" – in diesem Umgang miteinander liege "eine Heiterkeit, die ich als Fotograf so nicht gewohnt bin."
Wofür sich der 2009 92-jährig verstorbene US-Fotograf so begeisterte? 1967, mitten im Summer of Love in San Francisco, wurde in einem Studio in Sausalito eine Tanzaufführung vom Vorjahr nachgestellt. "The Bath - A Dancer's workshop event" war 1966 von Anna Halprin (1920-2021) choreografiert und uraufgeführt worden, Halprin gilt heute als Pionierin des postmodernen Tanzes.
Ihr Ansatz förderte ein Gemeinschaftsgefühl durch Körperbewusstsein und improvisierte Gruppeninteraktionen, die auf Ritualen beruhen und die den modernen Tanz radikal veränderten. "Tanz ist sichtbar gewordener Atem", hat Halprin einmal erklärt. Bei den Aufführungen von "The Bath" wuschen die nackten Tänzerinnen und Tänzer sich gegenseitig in einem Brunnen oder mit Krügen und Eimern. "Die Ausführung einer einfachen Handlung", schreibt Anna Halprin in ihren Notizen zu dieser bahnbrechenden Choreografie, "diese natürliche Handlung objektiviert, was im Inneren der Darsteller und Darstellerinnen vor sich geht".
Tanz zieht sich wie ein roter Faden durch Penns Schaffen
In Irving Penns fotografischem Reenactment sind zwar keine Gefäße zu sehen, doch das Wasser ist zum Teil noch auf der Haut der Tanzenden oder auf dem Studioboden erkennbar. Als Halprin die Bilder sah, bemerkte sie, dass Irving Penns Bilder "die Vollkommenheit eines Jungen und eines Mädchens betonen, die auf magische Weise miteinander verbunden scheinen, und doch wirkt es echt." Die Tänzerinnen und Tänzer hätten die "Essenz des Badens" festgehalten, so Halprin. Das Bad, die Reinigung und weitere Konnotationen werden aber in den Fotos vollkommen transzendiert. Die Bilder erzählen von Gemeinschaft, Berührung, Intimität.
Das Thema Tanz zieht sich wie ein roter Faden durch Irving Penns Schaffen, von seinen Fotografien US-amerikanischer Ballettkompanien aus der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zu einer 1999 entstandenen Serie, in der Penn die Bewegungen der Tänzerin und Choreografin Alexandra Beller festhielt. Es ist Penns Affinität für die Kunstform des Tanzes zu verdanken, dass der Fotograf in der Lage war, "The Bath" so präzise einzufangen.
Die Bilder der Tanzenden, deren nackte Körper teils ineinander verflochten scheinen, sind damals nicht veröffentlicht worden. Sie wurden als zu gewagt angesehen, um wie geplant 1968 in der Januarausgabe des Magazins "Look" veröffentlicht zu werden. Für fast drei Jahrzehnte geriet die Serie in Vergessenheit, bis Anna Halprin 1995 bei Irving Penn Fotografien für ihr eigenes Archiv anfragte. Penn wählte 14 Negative aus seinen zahlreichen Aufnahmen aus und ließ sie vergrößern.
Unmittelbar, anrührend, kraftvoll
Bis zum 13. März wird Irving Penns Zyklus "The Bath" in der Salzburger Villa Kast gezeigt. Neben den Schwarz-Weiß-Fotografien umfasst die Ausstellung der Galerie Thaddaeus Ropac eine Arbeit auf Papier aus dem Jahr 1987, die das breite Spektrum Irving Penns künstlerischer Praxis verdeutlicht.
Nach seiner Retrospektive im Museum of Modern Art in New York im Jahr 1984 widmete sich der Künstler erneut dem Medium der Malerei und entwickelte – inspiriert von seiner Erfahrung mit fotografischen Druckverfahren – eine experimentelle Technik. Er fotografierte Zeichnungen und vergrößerte diese als Platin-Palladium-Drucke. Die Abzüge dienten ihm anschließend als Maluntergrund, den er mit einer Kombination aus Aquarellfarben, Tinte, Trockenpigmenten und Gummiarabikum bearbeitete.
Die ineinandergreifenden Formen seiner Malerei erinnern an die ineinander verschlungenen Körper der Tänzerinnen und Tänzer. Mehr als 50 Jahre liegt das Studio-Event in Sausalito zurück – und wirkt doch unmittelbar, anrührend, kraftvoll.