Engagiert, innovativ, originell: Der Nachwuchs an den Kunsthochschulen hat großes Potenzial. Eine der wichtigsten Neuerungen der Art Karlsruhe 2024 ist die Sektion Academy Square, die dieses Potenzial auf die Messe bringt. Mit der Staatlichen Akademie der Künste (AdK) Karlsruhe, der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste (ABK) Stuttgart sind drei renommierte Institutionen Partner des Projekts. Aus jeder dieser Hochschulen wurden in Kooperation mit Monopol jeweils bis zu sechs Künstlerinnen und Künstler oder auch Kollektive ausgewählt, die ihre Arbeit auf der Messe zeigen werden.
Die Formate und Ansätze sind abwechslungsreich. André Wendland beispielsweise, 1995 in Leonberg geboren und Student der Klasse Tatjana Doll an der AdK Karlsruhe, kombiniert in seiner großformatigen Malerei ein starkes Formbewusstsein mit viel Humor. In seinen Bildern von Sportlern, Paaren oder auch Fischen fügen sich Körper und Gesichter der Logik des Rechtecks. Das Füllen des Bildraums wird zur Slapsticknummer, Comicästhetik verbindet sich mit surrealistischen Anklängen.
Viel zarter wirkt die Malerei von Han Gyol Kim, 1991 in Südkorea geboren, die nach einem Bachelor in Seoul nun ebenfalls an der AdK Karlsruhe studiert. Sie nimmt den weiblichen Körper und Gewalterfahrungen von Frauen in den Fokus. Die verwischten, fast geisterhaften Gestalten, die sie in Acryl, Ölfarbe oder mit Pigmenten auf die Leinwand bringt, balancieren an der Grenze zwischen dem Zeigen und Verbergen, drücken Angst und Verletzlichkeit aus.
Ein klassisch malerisches Thema hat sich auch Hyein Jang gestellt, 1993 ebenfalls in Südkorea geboren und der Meisterklasse von Daniel Roth an der AdK Karlsruhe zugehörig. Hyein Jang interessiert sich für den Faltenwurf, allerdings im Medium der Installation. Anhand von Stoffbahnen, die durch große Ringe verbunden sind, werden hier Räume strukturiert. Auf diese Weise findet die Malerei im Raum statt: Die Falten, so Hyein Jang, übernehmen die Funktion von Linien.
Arbeit mit Textilien ist auch an der Kunstakademie Stuttgart ein großes Thema. Die 1995 geborene Isabel Stoffel aus der Klasse Reto Boller taucht Betttücher in Gips und Gouachefarbe und schafft so interessante Hybride aus Installation und dreidimensionaler Malerei. Oder sie besprüht Bettdecken und Laken mit Acryl- und Lackfarbe und kreiert damit reliefartige, gothic-gruselige Wandbilder. Auch Handtücher werden bei ihr zum Farbträger und Kleidungsstücke zu Figuren verknotet.
Ihr Akademiekollege Fabian Widukind Penzkofer hat die Technik der Stickerei für sich entdeckt, neben Installation, Video und Sound. Manche der Wesen, die Penzkofer auf seine textilen Bilder stickt, tragen Antennen auf dem Kopf – oder sind es Geweihe, haben wir es mit Hybriden zwischen Mensch und Hirsch zu tun? Auf gebrauchte Sakkos stickte er bei einer Ausstellung live die Worte "Love Party" – vielleicht könnte auch das zu einem Messeauftritt passen.
Melancholischer wirkt dagegen, was Lina Baltruweit und Johannes Breuninger als Künstlerduo Super Vivaz vorschlagen. Wenn sie beispielsweise eine ausgestopfte Gams auf ein Klettergerüst aus Waschbeton stellen, verweisen sie nicht ohne Zynismus auf die Künstlichkeit der Alpenidylle. Ukrainische Pässe mit dem Zeichen der Europäischen Union, die es vielleicht nie geben wird, haben sie aus zerbrechlicher Keramik geformt und zum Kartenhaus zusammengesteckt, verbunden durch Kaugummi. Auch sich selbst haben sie als Keramikskulpturen nachgebildet, erschöpft in einem Flugzeug schlafend, privilegierte "Western Gods", die die Welt kennenlernen dürfen und dabei ihre Ressourcen konsumieren.
Eine sehr installative Präsentation ist schließlich von den Studierenden der HfG Karlsruhe zu erwarten. Julius Bläser hat dort die komplexe Arbeit "Anything Besides a Bed" entwickelt, in der er alle Aspekte des Bettes wie ein Archäologe der Dinge analysiert und neue Vorschläge entwickelt, die elegant zwischen Design und Konzeptkunst balancieren. Der Wecker, der bei ihm neben dem Bett steht, wird menschenfreundlich nicht auf die Aufwachzeit gestellt, sondern auf die Zeit, die man mindestens schlafen möchte. Eine extra gestaltete Steckdose ist für die elektronischen Bedürfnisse des Schläfers zuständig, und für das begleitende Buch wurden extra Geschichten in Auftrag gegeben, die im Bett gelesen werden sollen.
Corinne Rieperts Skulpturen sind dagegen klar im Bereich der bildenden Kunst zu Hause. Aus Kleidungsstücken, die sie auf der Straße gefunden hat, schafft sie figurhafte und doch abstrakte "Gefüge". Sie sind wie neue Körper, die sich von den Menschen emanzipiert haben, die einst die Kleidungsstücke trugen.
Beim Academy Square werden noch andere spannende junge Debüts zu entdecken sein. Und wer neugierig geworden ist, kann einige der Nachwuchskünstlerinnen und -künstler am Sonntag beim Talk mit Monopol-Redakteurin Silke Hohmann in der Monopol-Lounge erleben.
Über die Art Karlsruhe spricht auch Monopol-Redakteurin Silke Hohmann mit Detektor FM. Sie können den Beitrag hier hören: