Warum er nicht als Architekt arbeite, wo er sich doch so eingehend mit architektonischen Fragestellungen befasst, wird Oscar Tuazon im Künstlergespräch in der Kunsthalle Bielefeld gefragt, natürlich von einem Architekten.
Die Frage führt mitten ins Œuvre des 1975 in Seattle geborenen und heute in Los Angeles lebenden Bildhauers. Beispielhaft etwa die Skulptur, mit der die Schau eröffnet: In prekärer Balance steht dort ein Vierbein aus schweren Holzbalken, provozierend rudimentär, leicht windschief, irgendwie entblößt. Wenn man so will: Architektur im letzten Hemd. Dass jenes Konstrukt vor einem blitzsauber abgezirkelten und farbstark strahlenden "Regenbogen"-Gemälde Frank Stellas aus der Sammlung des Hauses platziert ist, akzentuiert dessen Arte-povera-mäßigen Charakter zusätzlich. Es gehe ihm um die Erkundung der minimalen Bedingungen für das Leben, erzählt er, eben: "Was wir brauchen", wie die Schau titelt.Der tuazonsche Minimalismus verhält sich zur historischen Minimal Art allerdings wie deren Inversion: Nicht Spezifik, Kraft und Aura des "einen Ding", wie sie Großminimalist Donald Judd für sich definierte, werden stark gemacht. Sondern vielmehr das Publikum und sein partizipatorisches Potenzial. Am liebsten würde er anderen Leuten dabei zusehen, wie sie die Arbeit nutzbar machen – womöglich gegen seine Intention. Tuazon huldigt einer eigenen Philosophie des "Non-finito", des Unvollendeten, der "Anti-Form". Diese Brüche versteht er als Einladung, sich kollaborativ am Werk zu beteiligen. Der Modernismus des rechten Winkels ist seine Sache nicht; wenn eine Skulptur schon an Sol LeWitt erinnern sollte, dann doch bitteschön in "betrunkener" Form, gibt er an.
In vielen Fällen hat seine Arbeit die museale Rahmung, den White Cube zur notwendigen Voraussetzung. Jener Kontext droht ihren partizipativen Anspruch allerdings zu unterlaufen, der dann bloße Anrufung bleibt, im Modus des Als-ob. Zwischen diesen Polen schwingt sein Werk und entfaltet seine Widersprüchlichkeit. Die Freiheit des "Amateurs" kostet er voll aus; es seien eben Vorschläge, so sein Credo – deshalb hält er die Vorgaben "echter" Architektur wohl auf Distanz.