Das Werk ist längst entrückt, wird von vielen gar nicht mehr als zeitgenössisch wahrgenommen. Baselitz? Ein Fall für Nostalgiker, die von der Ära schwärmen, als die Maler und Bildhauer keine Dienstleister des globalen Unterhaltungsbetriebs waren und sich wie Götter und gefallene Engel gerierten. Fast staunend steht man heute vor den Leinwänden und Skulpturen und versteht die Aufregung nicht so recht. Woher die leidenschaftlichen Ablehnungen und Zustimmungen, aus denen diese einschüchternde Prominenz stammt? Und schon sieht man sich abermals hineingezogen und lauscht mit neuer Neugier einem Epos der Epoche, in der die Kunstweltmeister aus Deutschland kamen.
Baselitz hat nicht das sprunghaft Prätentiöse, mit dem Lüpertz sich stets hervorgetan hat. Gerade die Rückschau verdeutlicht den überlegten Aufbau seiner Arbeit. Die Protestbilder der frühen 60er-Jahre; die herrische Abwehr des abstrakt-minimalistischen Mainstreams ebenso wie der Banalgegenstände, an denen das Popjahrzehnt Gefallen gefunden hatte; die Aufrichtung einer zeichenhaften, „heldischen“ Figur; ihre Wiederabrüstung, Fragmentierung; ihr langsames Verschwinden im expressiven Malgestus; schließlich die famose Verkehrung der Motive bis hin zu den „Remix“-Bildern, die diese Werklogik aus größerer Freiheit bedenken.
Das alles ist doch mit eindrucksvoller Konsequenz gefügt und beglaubigt sich in einer dichten malerischen Kultur, die in der gepflegten Auswahl der Baden-Badener Ausstellungen noch einmal einen großen Auftritt bekommt.
Dass der Maler und der Bildhauer hier unter verschiedenen, wenn auch benachbarten Dächern logieren – der eine im Museum Frieder Burda, der andere in der Kunsthalle –, erweist sich besonders für den Skulpturenpart als ausgesprochener Gewinn. So stark waren die im allemal harten, ungeschönten Zugriff aufs Material entstandenen Holzplastiken selten inszeniert. Es sind vor allem diese Figurenchiffren, die das Œuvre immer wieder geöffnet und mit überraschenden Gebärden dafür gesorgt haben, dass es nicht frühzeitig erstarrt in seiner monumentalen Anlage.
Baselitz im Doppelpack, gleich gut für Einsteiger wie für Fortgeschrittene.
Museum Frieder Burda und Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden, bis 14. März