Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Dortmund, Dresden, Frankfurt am Main, New York, Pilsen und Wien


Jüdisches Leben in Berlin

Das Leben in den acht jüdischen Gemeinden der DDR steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Ein anderes Land. Jüdisch in der DDR" im Jüdischen Museum Berlin. Bis zum 14. Januar wird auf Basis von persönlichen Objekten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie deren Nachkommen über jüdische Erfahrungen in diesem deutschen Staat berichtet, die ihre Geschichte erzählen und so individuelle jüdische Perspektiven vermitteln.

"Die Geschichten eröffnen vielfältige Einblicke in das Leben von Jüdinnen und Juden", sagt Museumsdirektorin Hetty Berg. Die Erfahrungen seien sehr unterschiedlich gewesen. "Manche waren vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen und kehrten nach 1945 in die sowjetische Zone zurück." Andere hatten die Konzentrationslager überlebt oder die NS-Zeit im Versteck überstanden.

"Nach dem Schock hofften viele von ihnen, mit der DDR einen freien, antifaschistischen Staat aufzubauen", so Berg. Viele Zeitzeugen verwendeten dafür nach ihren Angaben in den Interviews die Formulierung "Ein anderes Land". Die Ausstellung gebe nun "explizit jüdischen Perspektiven auf die deutsche Nachkriegsgeschichte Raum".

Zahlreiche persönliche Dokumente werden in den Museumsräumen verknüpft mit Kunstwerken, Filmen oder Literatur. So soll laut Berg gezeigt werden, "was es in der DDR bedeutete, jüdisch zu sein".

Neben der größten Gemeinde in Ost-Berlin blickt die Ausstellung in die kleineren Gemeinden Dresden, Leipzig, Magdeburg, Erfurt, Schwerin, Halle und Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz. Dabei geht es um Alltags- und Sozialgeschichte, die Fluchtbewegung in den Westen Anfang der 50er-Jahre oder Reaktionen auf den Sechstagekrieg 1967 zwischen Israel und Ägypten, Jordanien sowie Syrien.

"Ein anderes Land - jüdisch in der DDR", Jüdischen Museum Berlin, bis 14. Januar 2024


Irwin in Dortmund 

Wo der Stempel "Irwin" drauf ist, war ein slowenisches Künstlerkollektiv am Werk. Irwin, 1983 in Ljubljana gegründet, betätigt sich vor allem auf dem Feld der Malerei und beschäftigt sich mit der Kunstgeschichte Osteuropas. Seit den 1990ern setzt sich die Gruppe kritisch mit dem Modernismus westlicher Prägung auseinander und stellt ihr eine östliche "Retroavantgarde" gegenüber. Die Irwin-Schau im 40. Gründungsjahr im Dortmunder Hartware Medienkunstverein legt einen Schwerpunkt auf den schwarzen Humor der Gruppe.

"Was ist Kunst, Irwin?", Harwarte Medienkunstverein Dortmund, 9. September bis 28. Januar 2024


Antanina Slabodchykava und Mikhail Gulin in Dresden

Zeitgenössische Kunst, die nicht der staatlichen Norm entspricht, bleibt in Weißrussland meist nur die Nische. Ein Minsker Künstlerduo hat Ächtung hautnah erlebt - und für ein paar Monate Freiheit in Dresden. Das Café Belarus des Dresdner Japanischen Palais hat bis Mitte November zwei besondere Gäste aus dem osteuropäischen Land: das Künstlerduo 1+1=1. In der Schau "Kassandra-Komplex" sind insgesamt 26 Arbeiten von Antanina Slabodchykava und Mikhail Gulin aus Minsk zu sehen.

Die Werke zeugen von der Verteidigung freier Kunstausübung und der soziopolitischen Situation in der Heimat der Beiden. In die Videos, Performances, Zeichnungen und Installationen flossen die Erfahrungen des Paares ein, das sich der modernen, zeitgenössischen Kunst verschrieben hat - und damit den Unmut der belarussischen Staatsmacht auf sich zog.

Während Gulin schon 2012 wegen einer Kunstaktion verhaftet wurde, geriet seine Frau im Wahlkampf 2020 in den Fokus der Obrigkeit. Sie zeichnete das Piktogramm, das spontan zum Symbol des Widerstands gegen das autokratische Regime wurde: ein Herz, kombiniert mit Faust und Siegeszeichen. Seit Oktober 2022 lebt das Paar in Dresden - mit einem Stipendium der Martin Roth Initiative (MRI). Diese bietet Künstlern, die in ihrer Heimat aus politischen oder sozialen Gründen gefährdet sind, für mindestens zwölf Monate Zuflucht und die Möglichkeit zur Neuorientierung.

Das Café Belarus entstand im Zuge einer Ausstellung 2021 und ist Begnungs- und Diskussionsort für Menschen im Exil und Künstler, wie die Leiterin des Museums für Völkerkunde, Barbara Höffer, als Hausherrin sagte.

Mit den Werken von 1+1=1 steht in zwei Räumen der psychologische Effekt, wenn negative Prognosen ignoriert oder abgewiesen werden, im Fokus. Das Land sei seit 1994 in Europa als letzte Diktatur bekannt, stecke zwischen "nicht mehr sowjetisch" und "noch nicht europäisch demokratisch" fest, sagte Gulin laut Mitteilung der Staatlichen Kunstsammlungen. Es gebe Tausende politische Gefangene sowie Entführungen und der Einfluss Russlands wachse. EU und Nachbarländer zeigten sich in der Regel "sehr besorgt", aber nicht mehr. "Das änderte sich am 24. Februar 2022." An diesem Tag begann der vollständige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. (dpa)

"Café Belarus II: Kassandra Komplex", Kunstsammlung Dresden, bis Mitte November


Galerien-Wochenende in Frankfurt 

Zum fünften Mal tun sich die lokalen Galerien zur Frankfurt Art Experience zusammen und bündeln ihre Expertise und ihr Können für einen Monat im Zeichen der Gegenwartskunst. Begründet wurde die Dachmarke von Tyrown Vincent als Event, das mit Rundgängen, Führungen und Expertengesprächen Kunst für alle zugänglich macht. Wie sehr die Städelschule ein Kraftzentrum für die Kunstszene der Stadt ist, kann man im Programm der Galerien ablesen: Sandra Kranich, deren Feuerwerkskunst bei Philipp Pflug zu sehen ist, ist nur eine von mehreren ehemaligen Städelschülerinnen, die mit Ausstellungen vertreten sind. Aber auch die Institutionen, für die Frankfurt bekannt ist, lohnen sich im September besonders, darunter die Galerien Shakile & Me, Schlieder Contemporary, und die Galerie Neue Alte Brücke.

"Frankfurt Art Experience", bis 10. September 


Ed Ruscha in New York 

Was für Claude Monet die Seine  war, ist für Ed Ruscha die Route 66. Über den Interstate Highway begann sein künstlerischer Weg: raus aus seiner Heimatstadt Oklahoma City nach LA, wo er angewandte Kunst studierte und sich von der Popkultur, Architektur und dem Slang der Stadt inspirieren ließ. Schon lange zählt Ruscha zu den bedeutendsten Vertreten der US-amerikanischen Nachkriegskunst.

Mehr als 200 Werke des Künstlers werden nun in der Ausstellung "Now Then" auf der sechsten Etage des Museum of Modern Art gezeigt. Ruschas Œvre umfasst Zeichnungen, Druckgrafiken, Künstlerbücher, Filme, Malerei und Installationen, in denen Materialien von Schokolade bis Schießpulver zum Einsatz kommen. In vielen Inhalten bleibt er sich treu: Tankstellen an verlassenen Straßen oder auch das Logo von 20th Century Fox zählen zu jenen Motiven, die Ruscha immer wieder aufgegriffen und neu gestaltet hat.

Nach loser Chronologie geordnet, versammelt "Now Then" Kunstwerke aus sechs Jahrzehnten und zeigt die Veränderung in den künstlerischen Methoden und Mitteln Ruschas. Nicht nur die bekanntesten Werke des Künstlers wie etwa das ikonische Gemälde "Oof" (1962/63), das Comicsprache zum Bildgegenstand macht, sondern auch ganz neue und bislang ungesehene Arbeiten werden in der bislang größten Retrospektive gezeigt. 

Ed Ruscha: "Now Then", MoMa, New York, bis 13. Januar 2024


Jerzy Nowosielski in Pilsen

Die Westböhmische Galerie im tschechischen Pilsen (Plzen) widmet dem polnischen Maler Jerzy Nowosielski zum 100. Geburtsjahr eine Ausstellung. Die kleine Schau mit dem übersetzten Titel "Zwischen Akt und Ikone" öffnete am Freitag und ist noch bis zum 1. Oktober zu sehen. Der 1923 geborene und 2011 verstorbene Nowosielski wurde vor allem mit seiner religiösen Kunst bekannt. Seine Bedeutung für Polen wird dadurch verdeutlicht, dass der Sejm in Warschau 2023 zum Nowosielski-Jahr erklärt hat.

Bereits als Kind war Nowosielski von der östlichen Liturgie fasziniert. Im Mariä-Entschlafens-Kloster im heute ukrainischen Uniw erlernte er die Ikonenmalerei. Er studierte er an der Kunsthochschule in Krakau (Krakow), wo er später zum Professor ernannt wurde. Nowosielski schuf sakrale Kunst, aber auch Bühnenbilder und abstrakte Gemälde mit geometrischen Formen. Er vertrat Polen 1956 auf der Biennale von Venedig.

"Sein einzigartiger Stil entstand an der Kreuzung der westlichen und östlichen Traditionen, der Avantgarde und der byzantinischen Kunst", teilen die Kuratoren mit. Aus dem Surrealismus habe er die Atmosphäre des Geheimnisvollen und der Mehrdeutigkeit übernommen, aus der byzantinischen Ikonenmalerei die starken Konturen, die Flachheit der Formen und die Farbsymbolik. 

Jerzy Nowosielski, Westböhmische Galerie, Pilsen, bis 1. Oktober


Viennacontemporary und Curated By in Wien 

Für das Galerienfestival Curated by engagieren die prägenden Wiener Galerien Gastkuratoren und -kuratorinnen, die Ausstellungen jenseits der Verkaufsroutinen organisieren. Ab dem Eröffnungsabend am Freitag sind 24 Galerien dabei, es folgt ein einmonatiges Programm von Talks und Events. In dieser Woche lädt auch die Messe Viennacontemporary zum kompakten Kunstgucken. Rund 60 Galerien, von denen knapp die Hälfte aus Österreich stammt, zeigen im Kursalon Wien ihre Werke. Traditionell versteht sich die Messe als Brücke nach Osteuropa, es gibt Galerien aus Polen, Slowenien oder auch der Ukraine. Eine kuratierte Sektion gibt dem Nachwuchs aus Österreich ein Forum. Und die Plattform „"VCT Statement" soll außerdem in Reaktion auf den Krieg gegen die Ukraine in Panels und einer Sonderausstellung den Zusammenhang zwischen Kunst und gesellschaftlicher Verantwortung thematisieren.

"Vienna Contemporary", Kursalon Wien, bis 10. September

"Curated By", verschiedene Orte, Wien, Eröffnung 8. September, bis 14. Oktober


Deutsche und österreichische Malerei in Wien

Zeitgenössische Malerinnen und Maler aus Deutschland und Österreich werden einander in einer neuen Ausstellung in Wien gegenübergestellt. Je 13 Künstler aus den beiden Ländern sind im Museum Albertina Modern zu sehen. Monochrome Werke von Gerhard Richter treffen auf ähnlich düster-kraftvolle Übermalungen seines österreichischen Kollegen Arnulf Rainer. Einen Raum weiter spiegeln sich die verfremdeten Körper der österreichischen Malerfürstin Maria Lassnig in den auf dem Kopf stehenden Figuren von Georg Baselitz.

Zu den Höhepunkten der Schau zählt ein Raum mit großformatigen Gemälden: Darin stellen sich die Österreicherinnen Xenia Hausner mit einer farbig vibrierenden Serie zum Thema Flucht und Isolde Maria Joham mit technoid glitzernden Fantasiewelten den ebenso hyperrealistischen Bildern von Neo Rauch und Tim Eitel. In weiteren Paarungen sind Katharina Grosses und Hans Holleghas luftige Abstraktionen sowie die witzigen skulpturalen Arbeiten des Kollektivs Gelitin und der Künstlerin Verena Bretschneider zu sehen.

Der Titel der Schau "Österreich - Deutschland: Malerei 1970 bis 2020" klinge nach Fußball, räumte Kuratorin Constanze Malissa ein. Es gehe aber nicht um Mannschaftssport, sondern um künstlerische Konzepte, die durch jeweils zwei Künstler aus beiden Ländern dargestellt werden. «In der Kunst gibt es keine Gewinner, keine Verlierer, es gibt nur den immerwährenden Dialog", sagte Malissa.

"Österreich - Deutschland: Malerei 1970 bis 2020" , Albertina Modern, Wien, bis 21. Januar 2024