Nashorn-Skulptur von Adrien Missika

"Zoos sind ein guter Ort für Kunst"

Der französische Künstler Adrien Missika hat eine Skulptur für die neue Nashornanlage im Berliner Zoo geschaffen. Ein Gespräch über bedrohte Arten, ungewöhnliches Publikum und Kunst, die auch Tieren nützt

Adrien Missika untersucht in seinem künstlerischen Werk den Zusammenhang zwischen kulturellen und natürlichen Phänomenen. In Performances gießt er Unkraut auf die Straßen Berlins, fordert mit Plakaten dazu auf, Bäumen Namen zu geben oder verstaubte Pflanzen im öffentlichen Raum zu säubern. Seine Kunst umfasst Fotografien, Videos, Aktionen und Installationen. Für den Berliner Zoo schuf er im Zusammenhang mit Kunst am Bau die Skulptur "Ein Horn".

Adrien Missika, Ihre Skulptur "Ein Horn" bezieht sich auf Nashörner. Warum ausgerechnet diese Tiere?

Im Berliner Zoo hat gerade eine neue Anlage für einige stark bedrohte Tierarten, darunter Tapire und Nashörner, eröffnet. Meine Arbeit dort ist im Zuge von Kunst am Bau im Zusammenhang mit der neuen Nashorn-Pagode entstanden. Das Hauptziel der Kunst ist der Mensch, auch wenn die Tapire sicher einen Blick darauf haben. 

Inwiefern geht es bei Ihrer Arbeit auch um Arterhalt? 

Mein Kunstwerk ist einem in den Boden gerammten Horn nachempfunden. Die Idee war es, eine Skulptur zu machen, die dauerhaft bleibt. Deswegen habe ich mit natürlichen Materialien, nämlich Kalkstein aus den Dolomiten, gearbeitet. In die Seiten sind 600 Löcher in verschiedenen Größen gebohrt…

…diese Löcher haben keinen rein ästhetischen Grund, oder? 

Die Skulptur ist gleichzeitig ein Bienenhotel. Bevor ich mit der Arbeit daran begonnen habe, habe ich Interviews mit vielen Imkern geführt, um zu verstehen, wie ein Bienenhotel am besten aufgebaut ist. Besonders bedroht sind in Deutschland Blattschneider- und Mauerbienen, weil wir ihren Lebensraum zerstören. Deshalb habe ich die Lochdurchmesser auf die optimale Größe für diese speziellen Tierarten abgestimmt.

Damit ist die Skulptur ein doppeltes Denkmal für bedrohte Arten.

"Ein Horn" ist sowohl ein Denkmal für Nashörner als auch ein Refugium für Insekten. Ich habe unterschiedliche Bedeutungsebenen in die Skulptur eingearbeitet. Eine davon ist die umgedrehte Gravur ganz oben an der Skulptur. Dort steht "Le Monde Encore Né". Das beutetet auf Deutsch, "die Welt ist wiedergeboren." Auf der anderen Seite steht: "Le Monde Encorné", das heißt so viel wie: "Die Welt wird gehörnt". Also "gehörnt" wie in "Horn". Es ist ein französisches Wortspiel, man spricht beides gleich aus, die Bedeutungen sind aber ganz unterschiedlich. Auch der Titel "Ein Horn" ist ein deutsches Wortspiel mit dem "Einhorn" und bezieht sich gleichzeitig auf den "Karkadann".

Der Mythos über den "Karkadann" hat zur Wilderei an Nashörnern geführt. Was steckt dahinter?

Es gibt eine mystische Kreatur in Indien, die die Grundlage für den heutigen Mythos des Einhorns ist. Der "Karkadann" galt als Tier, dessen Horn magische Kräfte haben sollte. Auch damit habe ich mich bei der Arbeit an der Skulptur beschäftigt. 

Wie sah ihre Arbeit aus? 

Die Skulptur besteht aus einem modularen System aus achteckigen Steinplatten. Es sind 36 Schichten, die alle ein wenig verdreht sind. Hinter dem Design steckt Mathematik. Ich habe ein Computerprogramm benutzt, in dem ich die einzelnen Platten so drehen und verändern konnte, bis ich die maximale Kurve der Achse gefunden hatte, sodass die Form an ein Horn erinnert. Die Skulptur trotzt der Schwerkraft. Insgesamt wiegt sie fast fünf Tonnen. Ich wollte, dass es sowohl antik als auch technologisch aussieht.

Zoos sind häufig Gegenstand politischer Debatten. Wie stehen Sie zu ihnen? 

Ich hatte lange gemischte Gefühle Zoos gegenüber, aber als ich vor vier Jahren Vater geworden bin, hat sich das ein wenig verändert. Für Kinder haben Zoos einen erzieherischen Wert. Als ich die Leute vom Berliner Zoo kennengelernt habe, habe ich verstanden, dass Zoos nicht nur Unterhaltung sind, sondern auch einen wissenschaftlichen Hintergrund haben. Hier wird Erhaltungszucht betrieben, dank der Arten erhalten werden, die in freier Wildbahn vermutlich aussterben würden. Trotzdem können Zoos auch ein trauriger Ort sein, wenn die Gehege zu klein sind. 

Sind Zoos ein guter Ort für Kunst? 

Ja, für mich gibt es da auf jeden Fall einen Zusammenhang. Vor allem, weil es ein großer und üppiger Garten voller Leben ist. Der Berliner Zoo hat dreieinhalb bis viereinhalb Millionen Besucher im Jahr. Ich mag Kunst im öffentlichen Raum und beschäftige mich künstlerisch damit. Hier im Zoo ist meine Kunst für Menschen zugänglich, die dem auf anderem Weg vielleicht nicht begegnen würden. Ich habe hier auch schon beobachtet, dass viele Menschen neugierig sind. Ganz öffentlich ist der Raum hier natürlich nicht, weil man immer noch Eintritt zahlen muss. Aber meine Skulptur steht so nah am Eingang, dass man sie auch von draußen sehen kann. Also ja: Zoos sind ein guter Ort für Kunst.