Kulturpass für 18-Jährige

Wenn dich Claudia Roth zum Konzert einlädt

Mit dem Kulturpass bekommen 18-Jährige in Deutschland seit diesem Sommer 200 Euro für Museumsbesuche, Konzerte oder Comics zur Verfügung gestellt. Aber wollen die Jugendlichen das staatliche Geschenk überhaupt? Eine erste Zwischenbilanz

Wer in diesem Jahr 18. Jahre alt wird, bekommt ein Geburtstagsgeschenk vom Staat. Mit dem Jugendkulturpass erhalten im Jahr 2005 geborene Jugendliche ein 
Budget von 200 Euro, das sie für Konzert-, Theater oder Kinokarten sowie Museumsbesuche und Bücher ausgeben können. Seit dem 14. Juni ist es möglich, das Guthaben über die Kulturpass-App freizuschalten. 

"Ich denke, ich werde das Geld überwiegend für Kino und Bücher ausgeben, aber auch einige Museumsbesuche habe ich im Kopf", so der 18-jährige Caner, der die
Oberstufe eines Gymnasiums in Hessen besucht, gegenüber Monopol. Auch Janne Grossmann hat sich schon für den Kulturpass registriert, bis er die 200 Euro 
allerdings nutzen kann, muss er noch auf seinen 18. Geburtstag warten. "Ich kann mir vorstellen, dass ich so auch mal etwas Neues ausprobieren werde, zum 
Beispiel in die Oper gehen", sagt er. Er freut sich darüber, dass es für seinen Jahrgang möglich gemacht wird, Kulturangebote zu nutzen, ohne dabei viel 
eigenes Geld ausgeben zu müssen. 

Über 270.000 der rund 750.000 Jugendlichen, die laut statistischem Bundesamt 2023 volljährig werden, haben sich bisher für den Kulturpass registriert, das ist gut jeder Dritte. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), auf deren Initiative der Kulturpass zurückgeht, wertet das als Erfolg. "Wir wollen den Weg in die Kultur öffnen und junge Menschen für die Vielfalt der Kultur in unserem Land begeistern", sagt sie. 

"Blanker Hohn" für die Jüngeren?

Der Pass soll der Zugang zu Veranstaltungen niedrigschwelliger machen und auch jenen Wege ins Museum oder Theater eröffnen, die durch fehlende finanzielle Mittel eingeschränkt werden. Nutzerinnen und Nutzer der Kulturpass-App kritisieren jedoch, dass es kompliziert sei, das Budget freizuschalten. Ähnlich wie bei der 200-Euro-Einmalzahlung der Energiepauschale muss der Account über den elektronischen Personalausweis aktiviert werden. Zu viel bürokratischer Aufwand, kommentieren Jugendliche auf der Instagram-Seite des Kulturpasses. 

Für das Projekt stellt der Bund für das Projekt 100 Millionen Euro aus dem Etat des Staatsministeriums für Kultur und Medien bereit. Dieser Betrag reicht für circa 60 Prozent der 18-Jährigen aus. Wie lange das Kulturpass-Budget in der App zur Verfügung steht, ist noch unklar. Derzeit heißt es vonseiten der Bundesregierung,
man gehe davon aus, dass die 200 Euro zwei Jahre lang einlösbar seien. Sei das Projekt erfolgreich, wolle man es auch auf die 16- und 17-Jährigen erweitern. 

Allerdings gibt es nicht nur Lob für den Kulturpass. Viele Jugendliche, die nicht 2005 geboren wurden, ärgern sich darüber, dass ihnen kein vergleichbares Angebot 
zur Verfügung steht. Es sei "blanker Hohn", dass andere junge Menschen, die während der Pandemie nicht am kulturellen Leben teilnehmen konnten, von dem Angebot ausgeschlossen seien, so Pascal Groothuis von der Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz. Das Gremium stellt die Sinnhaftigkeit des Kulturpasses infrage und plädiert stattdessen für Investitionen in flächendeckende Kulturangebote für junge Menschen. 

Förderung sowohl für Jugendliche als auch für die Institutionen

Bei dem Pilotprojekt Jugendkulturkarte, das von Februar bis April in Berlin getestet wurde, durften noch mehr Jugendliche mitmachen. Allen Berlinerinnen 
und Berlinern zwischen 18 und 23 Jahren, wurde ein Kulturbudget von 50 Euro übertragen. Insgesamt 160.000 Kulturbesuche sind in den drei 
Monaten Laufzeit gezählt worden

"Die erfreuliche Resonanz auf die Jugendkulturkarte Berlin, an der wir mit vier Häusern beteiligt waren, lässt uns auch für den Kulturpass auf guten Zuspruch bei den Jugendlichen hoffen", sagt ein Sprecher der Staatlichen Museen zu Berlin. Diese wollen die Initiative Kulturpass mit allen zugehörigen Museen unterstützen, hieß es gegenüber Monopol. Andere Museen erwarten, dass die Nachfrage von jungen Menschen in den Monaten der Sommerferien noch ansteigen werde. 

Nicht nur Jugendliche, die durch die Pandemie zwei Jahre lang keine Kulturveranstaltungen besuchen konnten, sollen mit dem Projekt gefördert werden, sondern auch Kulturbetriebe, die oftmals noch immer darum kämpfen, ihr Publikum zurückzugewinnen. Seit Mitte Mai können sich Institutionen bundesweit für das Projekt registrieren. Bislang sind mehr als 6300 Anbieter angemeldet und insgesamt über 1,7 Millionen Produkte verfügbar, die direkt über die App gekauft werden können,darunter Bücher, Comics oder Schallplatten. 

Netflix nein, Eventim ja

Streaming-Dienste wie etwa Netflix oder Spotify und der Versandriese Amazon sind von dem Angebot ausgeschlossen. Dagegen profitieren große Konzerne wie der Ticket-Vermarkter CTS Eventim, der zuletzt wegen hoher Preise und der starken Marktrolle des Unternehmens in der Kritik stand, von dem neuen Kulturpass. Vorbild ist übrigens der pass culturel aus Frankreich. Bei der Entwicklung des deutschen Pendants haben Claudia Roth und ihre französische  Amtskollegin Amtskollegin Rima Abdul-Malak eng zusammengearbeitet, um damit ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft zu setzen. Einen pädagogischen Ansatz bei der Auswahl der Angebote gäbe es nicht, so Claudia Roth. Der Kulturbegriff solle breit gefächert werden.  

Wer von dem Budget des Kulturpasses also etwa ausschließlich Comics oder eine teure Festivalkarte kaufen wolle, könne dies tun. Der 18-Jährige Caner, der in 
Rüsselsheim lebt, hat bisher nicht viel in der Kulturpass-App entdeckt, was ihm  zugesagt hat. Vorgeschlagen würden ihm vor allem Gutscheine für Musikinstrumente. "200 Euro sind ziemlich viel Geld. Wenn ich etwas finde, was ich interessant finde, würde ich die Chance durch den Kulturpass aber auf  jeden Fall nutzen", sagt er. Besonders für die Möglichkeit, neue Dinge auszuprobieren, kommt die Idee des Geschenks vom Staat dann doch gut an.