Marina Abramović in Wien

Das ist kein Aluhut

Die Performance-Künstlerin Marina Abramović gönnt sich statt Schmerzperformances heute lieber mal zehn Stunden Schlaf. In Wien zeigt sie nun ihre "Energy Clothes" inklusive exzentrischer Hutmode

In der wirklich sehr schönen Rubrik "Was ich gerne früher gewusst hätte" des "Zeit Magazin" hat Marina Abramović jüngst folgende Altersweisheiten von sich gegeben: "Altwerden ist wunderbar, die beste Zeit des Lebens liegt jenseits der 70: Du hast keine Zeit mehr für Bullshit; Depressionen und Druck sind ein Luxus, den du dir nicht mehr leistest." Und: "Dein Körper hat Zuneigung verdient. Ayurveda ist wunderbar. Gönn dir auch mal zehn Stunden Schlaf."

Die letzte Aussage ist insofern bemerkenswert, als Abramović ihren Körper über viele Jahre ja nicht eben geschont, sondern malträtiert hat. Schon in ihren ersten Performances hackte sie sich mit einem Messer zwischen und auch mal auf die Finger ihrer Hand; oder kämmte sich mit einem Metallkamm gewaltsam-blutig die Haare; während einer anderen Aktion wurde sie ohnmächtig, einmal brannte ihr Bein an, und durch den Kommunikations-, Schlaf- und Essensentzug während ihrer berühmten Langzeitperformance im MoMA ging sie an die Grenzen dessen, was körperlich und psychisch ertragbar ist.

Dass auch harmlosere Wege zu Transzendenz und spiritueller Transformation führen können, zeigt Abramović jetzt in der Galerie Krinzinger in Wien. Ausgestellt werden dort ihre "Energy clothes", die sie ursprünglich 2001 während eines Workshops in der Fondazione Antonio Ratti in Como in Italien entwickelte: Energiehüte, Energiemasken und Energiebänder, hergestellt aus lokal angebauter Seide in sieben leuchtenden Farben und mit kreisförmig angeordneten Magneten, die die Energiepunkte des Körpers aktivieren sollen.

Und weil das Wochenende naht und die Sonne scheint, unterlassen wir jetzt alle hässlichen Kommentare über mittelalterlichen Alchemismus und esoterischen Humbug, stellen uns stattdessen vor, wie wir mit einem meterhohen roten Spitzhut durch die Straßen flanieren und uns dann zehn Stunden Schlaf gönnen. Auch Zynismus ist ein Luxus, den man sich irgendwann nicht mehr leistet.