Galerist Ewald Karl Schrade

"Die Kunst muss man lieben"

Ewald Karl Schrade verabschiedet sich als Kurator der Art Karlsruhe mit einer Präsentation seiner Sammlung – und einem leidenschaftlichen Fazit

Er steht vor seiner Galerie am Zirkel und erwartet mich schon, eine feine Adresse nahe dem Karlsruher Schloss und der Fußgängerzone. Zur Galerie gehörten früher noch weitere Räume, erzählt der Gründervater der Art Karlsruhe Ewald Karl Schrade zur Begrüßung, bevor wir bei ihm im Büro sitzen und über seine Sammlung sprechen. 45 Gemälde und Grafiken sowie neun Skulpturen stellt Schrade auf der Karlsruher Kunstmesse aus. "Ich hätte noch viel mehr gehabt", sagt der Galerist, der sich nach 20 Jahren als Kurator von der Messe verabschieden wird.

Wann er denn mit dem Sammeln angefangen habe? "Ich bin eigentlich kein Sammler", erklärt Schrade. "Und doch bin ich einer. Ich habe immer als Galerist gesammelt." Es ging immer darum, was er "gewichtig" und "herausragend" fand. Die Bilder seien direkt aus den Ateliers zu ihm gekommen, viele lagere er ein, zeige sie nicht im Handel. Die Sonderschau ist ein Einblick in seine über 50-jährige Arbeit als Galerist.
 

Präsentiert werden Werke etwa von Erich Heckel, Karl Hubbuch, Walter Stöhrer, Helmut Sturm, Bernd Zimmer, Cornelia Schleime und HA Schult. Auch seine Entdeckungen Christopher Lehmpfuhl und Willi Siber sind zu sehen, ebenso die Porträts der faszinierenden Eleonore Frey-Hanken. 

Die Anfänge

Der 1941 in Gomaringen geborene Schrade kam über Umwege zur Kunst. Nach einem Motorradunfall, bei dem der Modellbauer seine rechte Hand verlor, lernte er Versicherungskaufmann und war als Zweigstel­lenleiter einer Bank für Ausstellungen zuständig. Er begann zu kuratieren. Schrade hat daraufhin ein rasantes Tempo vorgelegt: Die erste Galerie wird 1971 in Reutlingen gegründet, 1973 eröffnet die Schloßhofgalerie in Kißlegg im Allgäu, die eine Dependance in Lindau erhält. 1985 erfolgt der Umzug des Geschäfts ins Barockschloss Mochental bei Ehingen an der Donau mit einer späteren Zweigstelle in Karlsruhe. Als 2004 in der Fächerstadt eine neue Kunstmesse entstehen soll, wird Schrade künstlerischer Berater und Kurator. "Die Kunst muss man lieben, sonst geht das alles nicht", sagt er. 
 

Seine außergewöhnliche Karriere beginnt in den 1970er-Jahren, als Schrade Ausstellungen mit bedeutenden Künstlern der Nachkriegszeit wie Günther Uecker, Lothar Quinte, Georg Meistermann und Shmuel Shapiro eröffnet. Er vertritt auch die Spur-Mitglieder Heimrad Prem und Helmut Sturm aus München, die der Gruppe Cobra verbunden sind. In den 1980er-Jahren knüpft der Galerist den Kontakt zu Walter Stöhrer in dessen Atelier in einer Berliner Fabriketage. Mit dem Schüler von HAP Grieshaber gestaltet Schrade viele gemeinsame Ausstellungs- und Malprojekte in Kißlegg. Überhaupt hat er weitreichende Kontakte zu den Karlsruher und Stuttgarter Kunstakademien. 

Unermüdlicher Kämpfer für die Kunst

Von Anfang an bemüht er sich um Kontakte zu Künstlern selber, aber auch zu deren Witwen oder Nachlassverwaltern. Beispielsweise bei Otto Dix, Karl Hubbuch oder Erich Heckel. Martha Dix empfängt ihn im Wohnzimmer, unter grandiosen Bildern sitzend, ein "Konjäckchen trinkend und ein Zigärrchen rauchend". Ellen Hubbuch empfing ihn und merkte an, dass ihr Berater immer fein geputzte Schuhe trage. Vielleicht ein Glück, dass er zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ordentlich polierte Schuhe trug. Von Ernst Beyeler, der damals Galerist in Basel in der Bäumleingasse war, bekam Schrade für eine seiner wichtigsten Ausstellungen "Stilleben in der Kunst des 20. Jahrhunderts" in Kißlegg Werke unter anderem von Picasso, Beckmann, Braque und Rouault. Er lebt von der Kunst der Klassischen Moderne, fördert mit den Einnahmen die jungen Künstler.

Gerade hat der Galerist die 1927 geborene Eleonore Frey-Hanken ausgestellt. Rund 50 Porträts und Landschaften hat der unermüdliche Kämpfer für die Kunst aus dem Nachlass zweier Töchter und vieler anderer Personen zusammengetragen. Diese Künstlerin rechtfertige es, ihn als Sammler zu bezeichnen, sagt Schrade, und seine Augen leuchten. Frey-Hankens brillante expressionistische Porträts lassen tief in Gefühlswelten blicken. Die ornamentalen Hintergründe muten surreal und psychedelisch an. Eine Wiederentdeckung, die an Zeitgenossen wie Alice Neel oder Lucian Freud erinnert. Aber die hätte der international ausgerichtete Galerist auch im Programm haben können.

 

Dieser Text ist zuerst im Monopol-Spezial Art Karlsruhe 2023 erschienen