Innovationsstandort Karlsruhe

Weltoffen angelegt

Karlsruhe ist seit 2019 Deutschlands erste Stadt mit dem Titel Creative City of Media Arts. Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums, sieht Innovation als Teil der lokalen Tradition
 

Herr Köhne, aus Karlsruhe wurde die erste E-Mail Deutschlands abgeschickt, sie gilt als deutsches Silicon Valley und ist ein Hotspot für Start-ups. Wie konnte sich in Karlsruhe so viel innovative Energie ballen?

Die Stadt war als Standort einer frühen technischen Hochschule schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Technologieknotenpunkt. Der damalige Großherzog hat den Vorläufer des heutigen KIT, des Karlsruher Instituts für Technologie, gegründet. Mit seinem Gespür für Technik, noch vor der Industrialisierung und Mechanisierung, hat er Forschung und Wissenschaft sehr gefördert. Die Exzellenz des 21. Jahrhunderts ist hier also schon im 19. Jahrhundert begründet worden.

Woran machen Sie das noch fest?

Karl Drais, der das Fahrrad erfunden hat, und Carl Benz waren Karlsruher. Auch das sind Hinweise auf einen sehr kreativen Standort. Im 20. und 21. Jahrhundert hat man dann das Thema Elektronik und Computer sehr intensiv verfolgt. Weil man verschiedene etablierte Forschungsinstitutionen zusammengelegt hat, konnte man hier das KIT gründen. Auch heute spürt man eine sehr kreative Atmosphäre, wenn man über das Areal des Alten Schlachthofs geht, hier sind sehr viel Kunst- und Kreativwirtschaft, aber auch Technisch-Kreatives angesiedelt. Das ist das Ergebnis einer langen Tradition der Wertschätzung für Innovationen.

Dabei wurde Karlsruhe erst 1715 gegründet.

In jungen Städten ist der Pioniergeist manchmal größer als an alten, traditionellen Orten. Auch der Stadtgrundriss zeigt diese Haltung. Wir haben die berühmte, sehr schöne Fächeranlage mit dem Schlossturm in der Mitte der Stadt und den radialen Straßen, die in alle Richtungen abgehen. Die Stadt öffnet sich nach außen, es gab nie eine Stadtbefestigung, nie einen Wall – und wenn man so will, nie ein geschlossenes Denken. Karlsruhe war von Anfang als weltoffene Stadt angelegt.

Welche digitalen Angebote machen Sie als Badisches Landesmuseum in der Technologiehochburg Karlsruhe Ihren Besuchern und Besucherinnen?

Wir waren am Badischen Landesmuseum die Ersten deutschlandweit, die eine Sammlung aufwendig in 3-D erfasst und digital veröffentlicht haben. Unsere osmanischen Bestände konnte man schon vor 20 Jahren im Internet dreidimensional abrufen. Heute sind die Objekte im digitalen Katalog verfügbar, es gibt zahlreiche digitale Anwendungen und sogar die Möglichkeit, sich Exponate auf Bestellung persönlich vorlegen zu lassen. Seit Neuestem können die Besucherinnen und Besucher mit unseren Exponaten tindern. Wir haben etwa 80 Stücke, mit denen Sie in der Ping!-App chatten können. Diese Objekte haben alle ihren eigenen Charakter, und es muss auch matchen – das Objekt muss also auch Sie mögen. Dann können Sie etwa mit einem römischen Gaius Cäsar aus Stein oder einem ägyptischen Sarkophagdeckel einen Dialog führen. Im Frühjahr werden wir Creative Exhibition launchen. Damit können Sie dann 3-D-gescannte Objekte im Außenraum um das Museum zu Ihrer eigenen Ausstellung arrangieren.

Eckart Köhne, Jahrgang 1966, war von 2014 bis 2022 Präsident des Deutschen Museumbunds. Er studierte klassische Archäologie, Alte Geschichte und Christliche Archäologie in Bonn und Heidelberg. Er war unter anderem als Geschäftsführer der Konstantin-Ausstellungsgesellschaft Trier, Direktor des Rheinischen Landesmuseums in Trier und Direktor und Geschäftsführer des Historischen Museums der Pfalz in Speyer tätig. Seit dem 1. Juli 2014 ist er Direktor des Badischen Landesmuseum in Karlsruhe