Herr Decker, Sie sind Anwalt und Mitbegründer von LegeArtis, einem Tool, das dem Kunsthandel helfen soll, Geldwäsche zu vermeiden. Wieso braucht man das?
Der europäische Gesetzgeber hat die Anforderungen der sogenannten Geldwäscheprävention für den Kunstmarkt sukzessive verschärft. In der europäischen Geldwäscherichtlinie, die Anfang 2020 in Kraft trat, wurden zum ersten Mal im Kreis der Verpflichteten alle Kunstmarktteilnehmenden erwähnt, also Galerien, aber auch Transportunternehmen, Lagerhäuser und so weiter. Die Personen, die dort erwähnt sind, müssen seitdem beim Tätigen von Transaktionen immer die Anforderungen der Geldwäscheprävention beachten.
Das bezieht sich auf Bargeldgeschäfte?
Nein, die besondere Verschärfung bezieht sich auch auf bargeldlose Geschäfte ab 10.000 Euro. Und das kann sogar gesplittet sein. Das heißt, wenn eine Galerie drei Verkäufe à 3.500 Euro tätigt, muss sie handeln.
Was sind die Anforderungen?
Beim Abschluss des Kaufvertrags muss eine Galerie eine relativ tiefgehende Analyse machen. Mit wem haben sie es als Geschäftspartner zu tun? Sie müssen eine bestimmte Risikoanalyse durchführen, in bestimmten Bundesländern müssen Sie einen Geldwäschebeauftragten benennen.
Wo setzt da Ihr Projekt LegeArtis an?
Typischerweise finden solche Transaktionen auf einer Messe statt. Wenn Sie in Ihrer Messekoje stehen, haben Sie nicht die Zeit, Ihren Anwalt anzurufen und zu sagen, bitte überprüfen Sie mal die Angaben meines Käufers hier. Das muss digitalisiert und standardisiert werden. LegeArtis liegt die Idee zugrunde, das in der Situation über eine App zu ermöglichen. Man scannt den Ausweis des Interessenten oder der Interessentin, dann wird in den für die App zugänglichen Recherchediensten untersucht, und nach ein bis zwei Minuten kommt ein Ergebnis: eine rote, gelbe oder grüne Flagge. Grün ist unproblematisch, gelb werden bestimmte Hinweis gegeben, rot bedeutet: Da ist etwas nicht in Ordnung. Das Ganze wird in der App dokumentiert, so dass man im Fall einer Prüfung nachweisen kann, dass man seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die Galerien bezahlen dann pro Abfrage eine geringe Summe, ab 7,90 Euro.
Gibt es schon Galerien, die das System verwenden?
Ja, wir haben seit zwei Jahren eine Partnerschaft mit der Art Basel, die das ihren Galerien anbietet, wir sind auch mit anderen Messen im Gespräch, zum Beispiel der Art Karlsruhe. Man merkt den Messen an, dass sie dankbar sind, dass es so ein Instrument gibt, weil sie damit vielen Händlerinnen und Händlern etwas anbieten können, mit dem sie ihre Verpflichtungen auf den Ständen erfüllen können. Auch für Auktionshäuser ist die App interessant.
Welche Personen bekommen eine rote Flagge?
Zum Beispiel Leute, die auf einer Sanktionsliste stehen, das Thema ist gerade sehr aktuell. Es gibt auch eine Länderliste der Europäischen Union, die vor schmutzigem Geld warnt.
Wie relevant ist das Problem denn überhaupt? Die Vertreterinnen und Vertreter des Kunstmarktes in Deutschland wehren sich ja immer vehement dagegen, dass man ihrer Branche Geldwäsche unterstellt, und sagen, das sei ein falsches Klischee.
Da kann man nur Vermutungen anstellen. Die Politik hat teilweise schon sehr wüste Vorurteile und keine wirklichen Belege. Aber man muss realistisch sein. Bestimmte politische Entwicklungen kann man nur schwer zurückdrehen. Wir leben in einer Zeit, in der das Regulieren von Märkten ständig zunimmt. Der Kunstmarkt war lange eine sympathische Ausnahme. Aber das war ein Anachronismus. Andere Märkte kennen schon längst einen viel höheren Standard an Regulierungen. Und bei den vielen internationalen Konferenzen, die sich mit der Geldwäscheproblematik beschäftigen, wird der Druck immer weiter erhöht, weitere Regulierungen vorzunehmen.
Welche?
In Großbritannien beispielsweise gibt es bereits jetzt sehr viel schärfere Kontrollen als in Deutschland, und es werden sofort Bußgelder verhängt. Aber ich glaube, dass es gerade im deutschen Kunstmarkt, der international gesehen ja ein kleiner Markt ist, wenige tatsächliche Fälle von Geldwäsche gibt. Trotzdem werden der Regulierungs- und der Verfolgungsdruck in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Deswegen sage ich: Wir schaffen lieber Tools, mit denen diese Anforderungen möglichst kostengünstig und unkompliziert erfüllt werden können, als gegen Windmühlen anzulaufen, wo man ohnehin nicht gewinnen kann.