Berliner Auktionshaus Grisebach

Streit um Kandinsky-Lot weiterhin ungeklärt

Nach dem Eklat um die womöglich unrechtmäßige Versteigerung eines Aquarells von Wassily Kandinsky sind die Eigentumsverhältnisse noch immer ungeklärt. Das polnische Außenministerium kündigte rechtliche Schritte an

Am vergangenen Donnerstag, dem 1. Dezember, wurde beim Berliner Auktionshaus Grisebach mit der Versteigerung von Max Beckmanns "Selbstbildnis gelb-rosa" für 20 Millionen Euro ein neuer Auktionsrekord erzielt. Die Stimmung im Traditionshaus dürfte diese Woche trotzdem getrübt sein. Denn die Versteigerung eines anderen Werkes sorgte für einen internationalen Eklat. Trotz des Protestes des polnischen Konsuls Marcin Król und seiner Bitte um ein Aussetzen der Verkaufsveranstaltung war ein Aquarell des Malers Wassily Kandinsky von 1928 für 387.500 Euro (inklusive Aufgeld) versteigert worden. Dabei sei der Verkauf laut Vertretern der polnischen Botschaft nicht rechtens, es handle sich um Diebesgut.

Am Nachmittag des Auktionstages hatte Król das traditionsreiche Auktionshaus darauf hingewiesen, dass das betreffende Kunstwerk bereits in den 1980er-Jahren vom Warschauer Nationalmuseum als gestohlen gemeldet wurde. Nach einer rechtlichen Prüfung entschied sich Grisebach jedoch, die Auktion wie geplant abzuhalten. Während der Veranstaltung kam es zu einer Unterbrechung durch die Berliner Polizei, die von der Abteilung für Konsularangelegenheiten über die mögliche Rechtswidrigkeit informiert worden war.

Leerstellen in der Provenienz

Auf Twitter veröffentlichte Marcin Król die von ihm verschickte Erklärung an das Auktionshaus. Darin weist er auf Eigentumsmarkierungen hin, die erkennen lassen, dass das Werk aus dem Warschauer Nationalmuseum stammt. Grisebach erklärte gegenüber Monopol, man sei "gehalten, alle Einlieferungen auf Echtheit, Provenienz und Eigentum zu überprüfen." Hierzu beschäftige man 40 Expertinnen und Experten, die mit der Prüfung der Provenienz betraut seien. Im Fall des Kandinsky-Werks, das als "Lot 31" in die Versteigerung ging, führte die rechtliche Prüfung  laut Grisebach "zu dem eindeutigen Ergebnis, dass keine rechtlichen Bedenken gegen die Versteigerung bestanden."

Wassily Kandinsky hatte das Aquarell 1928 als Geburtstagsgeschenk für seinen Freund, den Braunschweiger Sammler Otto Ralfs anlässlich seines 36. Geburtstags gemalt, was an einer Widmung zu erkennen ist. Wie aus dem Provinienzbericht des Auktionshauses hervorgeht, hatte sich das Werk bis 1983 in der Sammlung des Nationalmuseums in Warschau befunden. 1984 tauchte es in dem Auktionskatalog von Sotheby's in London auf und gelangte von dort in eine Privatsammlung in den USA. 1988 wurde es bei der Münchener Galerie Thomas von Maren Otto, der Frau des Expressionistensammlers und Versandhausgründers Werner Otto, gekauft. Bei Grisebach sollte es nun nebst anderen Werken aus der Sammlung versteigert werden, die Taxe lag bei 100.000-150.000 Euro, am Ende belief sich der erzielte Preis auf mehr als das Doppelte. Ob der Käufer das Werk bald tatsächlich sein Eigen nennen darf, bleibt allerdings noch abzuwarten.

Verjährt oder im Bewusstsein einer Straftat

Neben der Frage, wie das Kandinsky-Aquarell 1983 aus dem damaligen Ostblock nach London gelangen konnte, ist auch der Verbleib des Werkes in den Jahren zwischen 1940 und 1965 ungeklärt, allerdings spielt dies keine Rolle in der Frage nach Besitzansprüchen. Auch die Frage, ob man vor der Auktion in Datenbanken, die gestohlene Werke listen, auf den Kandinsky hätte stoßen müssen, bleibt ungeklärt. Laut Konsul Marcin Król steht es auf der entsprechenden Liste von Interpol, allerdings erfolgte die Aufnahme erst kurz vor der Auktion: Das polnische Kulturministerium hatte die Warschauer Polizei aufgefordert, den Diebstahl bei Interpol zu melden, nachdem das Auktionshaus die Verteigerung des Aquarells bekannt gemacht hatte. Im Kunstdiebstahlreport der international agierenden Organisation IFAR ist er jedoch bereits seit 1985 verzeichnet. 

Anders als etwa in der Schweiz gilt in Deutschland für gestohlene Kunstwerke die Verjährung des Rückgabeanspruchs nach 30 Jahren. Das ist jedoch nicht der Fall, sollte der Käuferin oder dem Käufer die Unrechtmäßigkeit des Erwerbs bewusst sein, sollten sie also, wie es im BGB heßt "nicht in gutem Glauben" sein. Ausgeschlossen werden kann dieser Fall, wenn der Verkauf durch ein Auktionshaus durchgeführt wurde. Ein Umstand, auf den sich auch Grisebach bezieht, wenn auf die Londoner Versteigerung 1984 hingewiesen wird. Bis der Fall geklärt ist, wird die weitere Abwicklung durch Grisebach nach Auskunft des Auktionshauses gegenüber Monopol ausgesetzt.

Der Fall ist trotzdem schon jetzt ein Politikum, der vor dem Hintergrund der jahrzehntelanger Bemühungen Polens betrachtet werden muss, während des Nationalsozialismus geraubte Kulturgüter zurückzubekommen – sowohl auf rechtlichem Wege als auch durch Rückkäufe. In Deutschland wird eine Sonderregelung zur Verjährung bei Raubkunst aus der NS-Zeit immer wieder diskutiert. In einem Fall wie diesem würde aber auch sie nicht greifen.