The Sound of Colour/Further Specimens re: Sound/Light
The Sound of Colour/Further Specimens re: Sound/Light
Arbeiten, Projekte und Publikationen von und zu
Josef Albers
Tim Berresheim
Henry Flynt
Raoul Hausmann
Ann Veronica Janssens
Julie Oppermann
Jenny Perlin
Heimo Zobernig
Kuratiert von Hans-Jürgen Hafner
Ohne Farben geht nichts, gerade in der Kunst. Dank neuer, digitaler Technologien und entsprechend erweiterter Produktions-, Anwendungs- und Darstellungsweisen haben wir es sogar mit einem regelrechten Farbenboom zu tun. Das Spektrum verfügbarer Farben erweitert sich stetig, auch in Bereiche, die für das menschliche Auge nicht erfassbar sind. Zu beidem, Farbproduktion und -wirkung, hat die Kunst allerdings wenig zu sagen. Die Standards zum Thema Farbe setzen andere: Farbenhersteller, zum Beispiel, oder Trend-Analysten. So soll Digital Lavender die Farbe der kommenden Saison werden und könnte damit 17-3938 TCX ablösen. Der Code steht für den Blauton Very Peri des US-amerikanischen Farbenkonzerns Pantone und ist dessen „Color of the Year 2022“. Seit langem ist Pantones berühmtes Matching System (PMS) für den analog-digitalen Farbabgleich marktführend. Kein Wunder, wenn die hauseigene PR von Very Peri entsprechend in den höchsten Tönen schwärmt: Es sei ein symbol of the global zeitgeist of the moment and the transition we are going through. Warum nicht gleich kriegsentscheidend? Der Dichter und Waffenhändler Arthur Rimbaud ging einst den entgegengesetzt intuitiven Weg, um die „Alchemie des Worts“ an der Schnittstelle von Farbe und Wort, Licht- und Schallfrequenz zu erkunden. „A“ sei demnach „schwarz, E weiß, I rot, O blau, U grün.“ Soll einer erst mal das Gegenteil beweisen.
Auffällig: Je mehr Farben, je differenzierter ihr Darstellungs- und Anwendungsspektrum, desto weniger ist „Farbe“ ein Thema noch der buntesten Kunst. Kunstwerke, die sich explizit mit Farbe beschäftigen, sind rar geworden oder ein Fall für die Rubrik „Langeweile“ – auch, weil es schnell kompliziert wird, wenn man herausfinden möchte, was Farbe eigentlich „ist“. Wohl deshalb greifen wir ohne zu zögern auf das zu, was uns in der Regel industriell normiert zur Verfügung gestellt wird, egal, ob im Baumarktregal oder übers Grafikprogramm. Kein Wunder, wenn Liam Gillick Farbe einzig an ihrer „availability“ bemisst. Wer international ausstellt, weiß um die Schwierigkeiten auch beim transkulturellen Farbabgleich.
Einst war die aufwändige Farbherstellung geduldige Atelierarbeit. Das exklusive Wissen darum lag in den Händen der Künstler*innen – vielleicht, weil Farben traditionell symbolische Kräfte zugeschrieben werden. Grün etwa gilt in vielen Kulturen als Farbe der Erneuerung, des Lebens und der Hoffnung. Das mag sich mit der letzten Bundestagswahl ein Stück weit bestätigt haben. Doch welches Grün genau sehen, von welchem sprechen wir?
Banal, festzustellen, dass Dein Grün nicht das meine ist. Josef Albers unterschied daher zu Recht zwischen der factual fact der Farbe als objektiver Tatsache und der kontextabhängigen actual fact ihrer Wahrnehmung. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts kam das Ausgangsmaterial der Künste – Farbe, Klang, Form und Sprache – gleich insgesamt auf den Prüfstand und wurde mit geradezu wissenschaftlicher Akribie auf Machart, Verwendungs- und Wirkungsweise for further use untersucht. Dies, um unsere sensorischen und kognitiven Fähigkeiten fit zu machen für die Herausforderungen der Gegenwart, auch um ihr mit einer Kunst auf dem aktuellen Stand der Technik begegnen zu können.
Und wenn Farbe heute zunehmend „virtuell“ wird, ein Effekt mathematischer Modellierung, unabhängig davon, was von Menschen überhaupt wahrgenommen werden kann, könnte das nicht ein relevantes künstlerisches Problem sein? Als Rekurs künstlerischer Forschungen zum Thema Farbe setzt The Sound of Colour/Further Specimens re: Sound/Light im Ausstellungsraum Auge & Welt an der dauer-prekären Schnittstelle an, wie sich am Beispiel „Farbe“ Welt und Auge trifft.
Die von Hans-Jürgen Hafner kuratierte Ausstellung setzt künstlerische Arbeiten von Tim Berresheim, Ann Veronica Janssens, Julie Oppermann, Jenny Perlin und Heimo Zobernig mit Projekten und Publikationen von Josef Albers, Henry Flynt und Raoul Hausmann in Bezug und fokussiert darauf, wo die Beziehungen zwischen Wahrnehmung und Kognition, factual und actual facts immer schon besonders herausfordernd waren.
Die Ausstellung wird unterstützt von der S-UBG Gruppe.