Drei Personen sitzen am Sonntagnachmittag im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg auf einer Bühne. Esther Ruelfs, Kuratorin, Bernhard Prinz, Künstler, und Juergen Teller, Fotograf, auf dem Programm: ein Künstlergespräch. Der Anlass ist die aktuelle Ausstellung "Fette Beute. Reichtum zeigen", in der eine Serie von Teller zu sehen ist. Für das Auktionshaus Phillips de Pury & Company hatte er 2005 den Katalog einer Juwelen-Auktion fotografiert.
Seine Familie aus dem mittelfränkischen Bubenreuth machte er dafür zu Reichendarstellern. Das sei ja nur die Ausstellung, wirft er gleich ein, mit den Reichen habe er nichts zu tun. Mit Supermodels - "Ich und so, ne, Supermodels ..." -, wie vom Auktionshaus vorgesehen, wollte er die Serie nicht machen: "Immer der gleiche Scheiß, das ganze Glamour-Zeug". Seine Tochter verkleide sich gern, sein Sohn sei gerade geboren worden und seine Mutter finde Schmuck schon immer ganz gut. Das Auktionshaus zahlt, sein Onkel und seine Mutter besuchen ihn und er macht alles auf einen Schlag. "That was a very selfish thing I wanted to do", gibt er zu, "wie so eine family party und jeder hat Spaß gehabt."
Teller fällt häufig ins Englische, springt dann aber gleich wieder zurück ins Deutsche. Schnell ist er damals aus Deutschland weg, sagt er, nach London, schon 1986, Englisch konnte er nicht, Geld hatte er keins, aber Heimweh. Deshalb hat er wohl kürzlich, fast 30 Jahre später, eine Gastprofessur für Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg übernommen. In London oder Paris wollte er nicht unterrichten, Nürnberg, das passt wie es ist, erzählt er, da ist er öfter daheim, kann "eine blöde Bratwurst essen", seine Mutter fährt ihn zur "Schule". Was Teller seinen Studenten überhaupt beibringen könne, habe er sich gefragt, so der Moderator Bernhard Prinz. Dass harte Arbeit Spaß sein kann.
Den Rahmen des Gesprächs bildet eine digitale Diashow durch Tellers Œuvre, das an diesem Nachmittag wie seine Biografie als bekannt vorausgesetzt wird, man kenne ihn ja. Hintergründe und Anekdoten zu den einzelnen Arbeiten wollen die beiden Moderatoren hören, zwischen denen Teller sitzt. Ob seine Familie immer mitmacht, will Ruelfs wissen. Nee, da müsse er schon charmant sein und eine gute Idee haben. Was ihn denn in einer Serie wie "Louis XV" mit der britischen Schauspielerin Charlotte Rampling bewegt, fragt Prinz. Und wer macht überhaupt die Fotos, wenn Teller selbst auf dem Klavier den Nackedei gibt oder mit Rampling samt Kaviar im Bett liegt? Selbstauslöser? Das sei "irre anstrengend gewesen, auf dem Piano rumzueiern", erinnert er sich, "sie sitzt ja nur blöd rum." Seine Frau, die Galeristin Sadie Coles, habe die Fotos gemacht. Er nimmt sie und seinen Sohn gern als Beistand mit, wenn er sich mal wieder vor Angst in die Hose macht, wie er sagt. Für ihn und Charlotte sei sie als Schutz dabei gewesen.
Er überschreite gern die Grenzen, das ginge nur "mit dem totalen trust". Seine prominenten Modelle vertrauen ihm. Die seien ja auch froh, wenn einer mal lustig an sie herantritt, ein bisschen Spaß muss sein, zur Sau kann man aber auch keinen machen, das ist ihm wichtig. "Für mich ist das Leben ein großer Spielplatz. I’m super curious. I’m super positive. I’m super interested in alles Mögliche." Einen kurzen Moment klingt Teller wie ein Arnold Schwarzenegger auf Promotour für seine Memoiren oder wie eine Jil Sander auf Sprachpanscherkurs.
Tellers Fotografien provozieren, extrem, manche finden sie sexistisch und pornografisch, manch einer schrieb entrüstete Leserbriefe an das "Zeit-Magazin", als er dort ein Jahr lang eine Fotokolumne hatte. Mit dem Schönheitsideal im Fernsehen und in Magazinen kann er nichts anfangen. Was da mit den Frauen gemacht werde, verstehe er nicht. Er sei humanistischer, frauenfreundlicher, diese ganze Retuschiererei in Magazinen lehnt er ab, Schönheit kommt von innen. "Man kann sich nicht darum kümmern, was andere Leute denken", sagt er. "The only thing that is important: what the subject is thinking and what I am thinking. Und was meine Frau drüber denkt". Wenn das alles im Rahmen von Moral für ihn stimmig ist, ist ihm egal, was andere Leute denken. "That’s the only way you can win." Die Modedesignerin Vivienne Westwood hat für ihn in Courbetscher Manier die Beine breit gemacht. Sie hat angefangen, erzählt er, "boom", er hat nur den Platz auf der Couch ausgesucht und gedacht: "Hoffentlich geht die Kamera noch."
Und eigentlich fotografiert er auch gar nicht so viel, meint er. Erfolgreiche Modefotografen fotografieren zehn Mal so viel wie er. Bei ihm sehe alles so leicht aus, spontan, wie aus der Hüfte geschossen, sagt Prinz. Nee, das sei alles unheimlich anstrengend. Er lebe einfach sein Leben, verarbeite, habe Ideen und "execute". Inzwischen macht er es sich aber selbst leichter. Vor eineinhalb Jahren ist er endlich von analog auf digital umgestiegen. Wie ein Dinosaurier ist er sich irgendwann vorgekommen. Jetzt muss er die Filme nicht mehr rumschleppen, braucht nicht mehr zwei Wochen für die Entwicklung und das Bearbeiten. Er mache viel unterwegs, "wunderbar" findet er das alles, es falle ihm so leicht, und die Leichtigkeit des Digitalen habe ihn plötzlich befreit.
Während des Gesprächs kommt er immer wieder aufgeregt auf sein neues Buch zu sprechen, das nächstes Jahr erscheint: Da ist "alles digital, das macht mir total Spaß". In der obligatorischen Publikumsfragerunde im Anschluss will ein inzwischen genau so aufgeregter Zuschauer wissen, was denn nun mit dem neuen Buch los sei. Teller gerät etwas ins Stottern, ja, es wird darum gehen, dass Deutschland Weltmeister geworden ist und um seine Studenten und um seinen "happy summer 2014". Seinen Sohn und seine beiden Cousins hat er fotografiert, wie sie das Endspiel sehen und er selbst sei auch irgendwie drauf, und die Weltmeister in Berlin hat er fotografiert.