Wenn's am schönsten ist, soll man gehen, so lautet eine Redensart. "Nach der erfolgreichen Premiere von Paris+ und mit dem bevorstehenden 20-jährigen Jubiläum der Art Basel Miami Beach verlasse ich die Art Basel auf dem Höhepunkt meiner Karriere", sagt Marc Spiegler zu seinem Abschied von der Art Basel. Völlig überraschend kommt der Schritt nicht. Schon im Sommer deuteten sich Veränderungen an. Da wurde mit dem "Direktor für Messen und Ausstellungsplattformen" eine Position geschaffen, die Spiegler etwas vom Alltagsgeschäft befreien und ihm mehr Zeit für Strategie im Rahmen seiner Vorstandsfunktion ermöglichen sollte.
Spiegler galt als Machtmensch, sein Führungsstil als autoritär. Er hat immer klar gemacht, wer Koch und wer Kellner ist. 2007 als Triumvirat mit Sophie Cay Rabinowitz und Annette Schönholzer gestartet, wurde er schnell Alleinherrscher über die Art-Basel-Messen in Basel, Miami Beach und später Hongkong. Seit 2012 Global Director der Kunstmesse, stieg er Ende 2019 sogar in den Vorstand der MCH Group AG auf. Die Muttergesellschaft der Art Basel bestand zu dem Zeitpunkt allerdings schon aus nicht viel mehr als der Art Basel, nachdem sie die Uhrenmesse Basel World als eigentliche Cash Cow des Unternehmens mit jahrelangem Anlauf vor die Wand gefahren hatte.
Magnus Renfrew und aktuell Adeline Ooi für Hongkong und von 2015 bis 2021 Noah Horowitz für Miami waren zwar auch Messedirektoren, aber immer deutlich unter Spiegler positioniert. Renfrew leitet inzwischen ein eigenes Kunstmessen-Imperium in Asien, Horowitz kehrt jetzt nach einem kurzen Ausflug zu Sotheby's als Spieglers Nachfolger zurück.
Nicht in allerbestem Zustand
Er übernimmt nicht direkt ein Trümmerfeld, doch ist die Art Basel nicht in allerbestem Zustand. Das ist zu einem großen Teil nicht ihre eigene oder Spieglers Schuld. Der Messekonzern hatte sich zu lange an seiner vermeintlichen Allmacht berauscht und die Uhrenhersteller so lange vor den Kopf gestoßen, bis diese sich abwandten. Das sich in der Folge als viel zu groß geplante und erweiterte Messezentrum erwies sich als Mühlstein, der den ganzen Konzern in den Abgrund zu reißen drohte. Gerade eben noch wurde mit James Murdoch ein neuer Investor gefunden, der frisches Geld und frischen Wind in den Konzern bringen soll.
Doch auch die Art Basel eilte nicht von Erfolg zu Erfolg. Von der 2014 ins Leben gerufenen Crowdfunding-Initiative, die wohl als Versuch gesehen werden kann, die gesamte Wertschöpfungskette vom Künstler bis zum Endkunden abzudecken, hat man seither nicht mehr viel gehört. Zu durchsichtig war der Versuch, mit anderer Leute Geld die Deutungshoheit über die Produktion zu übernehmen. Oder erinnert sich noch jemand an Art Basel Cities, das gigantische Geldgrab, das nicht viel mehr als überteuertes Stadtmarketing war und nach einer peinlichen Premiere in Buenos Aires keine Fortsetzung fand? Und die Expansion nach Singapur, Indien, Düsseldorf musste aufgrund der bedrohlichen Lage des Mutterkonzerns wieder zurückgefahren werden.
Währenddessen blüht die Messelandschaft, mit bereits gestarteten oder bald debütierenden Veranstaltungen in Taipeh, Seoul und Tokio. Die Schweizer selbst haben mit Hongkong angesichts der dortigen Situation einen Wackelkandidaten im Portfolio, und bei der neuen Art SG Singapur gerade einmal eine 15-prozentige Beteiligung vorzuweisen.
Paris+ als beste Gelegenheit für Spieglers Abgang
Paris+ war von daher tatsächlich ein Befreiungsschlag, nicht zuletzt gegen die Frieze London, die mit Ablegern in New York, Los Angeles und Seoul allerdings besser aufgestellt wirkt. Immerhin war Paris ein (erwartbarer) Erfolg beschieden und daher vielleicht die beste Gelegenheit für Spieglers Abgang.
Wo es für die Art Baseln demnächst hingehen könnte, lässt sich an der Personalie Noah Horowitz ablesen. Der New Yorker wird nach Angaben der Schweizer primär vom US-amerikanischen Art-Basel-Büro aus arbeiten. Die Stadt ist nach wie vor das größte Kunsthandelszentrum der Welt, der dortige Frieze-Ableger schwächelt und Armory-Eigentümer Merchandise Mart Properties, Inc. hatte die Messe schon zweimal zum Verkauf gestellt.