Künstlerin Anne Imhof

"Performances müssen raus aus der Institution"

In Anne Imhofs neuer Ausstellung "Youth" in Amsterdam fehlt das Markenzeichen der Künstlerin: die Live-Performances. Hier spricht sie über ihre Arbeit mit Avataren, Körper im Museum und das Lächeln ihrer Protagonistin Eliza Douglas


Anne Imhof, in Ihrer Ausstellung "Youth" im Stedelijk Museum Amsterdam gibt es Filme, große Installationen, Sound – aber zum ersten Mal seit Jahren nicht das, wofür Sie berühmt sind: Live-Performances. Wo sind die Menschen hin?

Ja, es stimmt, ich habe mich entschieden, keine Live-Performance zu machen, sondern die Charaktere kommen in Form eines Avatars vor, ein digitaler Charakter, der auf mehreren Screens gezeigt wird und auf den Videos auftaucht, die wir in Moskau gedreht haben.

Aber warum?

Ich habe seit Monaten das Gefühl gehabt, die Performances müssen raus aus der Institution.

Ins wirkliche Leben? Oder raus im Sinne von ganz weg?

Sie sollen nicht weg, sie sind Teil der Arbeit. Das Kreieren vor Leuten in dem Moment ist für mich eine Art masterclass. Ich fand das interessant, wenn das die Museen verlässt. Ich mache ja keine Institutionskritik im klassischen Sinne. Aber es gibt da einen Aspekt, der mit Zugänglichkeit zu tun hat. Es gibt diesen Moment, wo das Museum nicht genug für alle hat. Das Museum kann den Job machen, die Kunstwerke für lange Zeit gut zu betreuen. Man ist sich dieser Werke sicher, und dann hängt man sie ins Museum. Performances, so wie ich sie mache, sind nie sicher. Sie brauchen eine andere Öffentlichkeit und vielleicht auch einen Raum, in dem die Abstraktion, mit der ich arbeite, eine ganz andere Bedeutung hat. Wenn sie in einem White Cube gezeigt werden, ist das etwas ganz anderes als zum Beispiel auf einer Insel oder in einem Warehouse oder in einer Hollywood Farm. Das ist mein nächstes Projekt.

Ist das schon geplant?

Ja, in einem Filmstudio in Kalifornien.

Das heißt, das Museum ist jetzt der Ort für die Werke, die man musealisieren kann, die Performances finden woanders statt.

Die Schau hier im Stedelijk ist aber keine Kunstausstellung im klassischen Sinne. Die fehlende erste Ausstellung in Moskau hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken: Wie relevant ist das überhaupt, was ich hier mache, und wie relevant ist Kunst? Was bedeutet das für andere? Wann gehört meine Arbeit zum Beispiel Ihnen, die Sie darüber nachdenken? Das finde ich interessante Fragestellungen, die sehr existenziell sind für mich. So wie das Nachdenken über Leben und Tod. Und dann über live und nicht live und über An- und Abwesenheit von Körpern und Menschen, das hat natürlich damit zu tun. Leute sterben, Leute bleiben am Leben. Wer bleibt am Leben und warum? In der Vorbereitung der Ausstellung war ich viel unterwegs in den Museen und habe die russische Kunstgeschichte angeschaut. Ich habe versucht, etwas Universelles zu finden, was uns alle verbindet. Es steckt in jedem Kunstwerk, losgelöst von dem, wer es gemacht hat und wo es gemacht wurde.

Aber was ist das, was alle Kunstwerke verbindet?

Dass sie nutzlos sind, aber trotzdem da sein müssen. Was ist Kunst und was nicht? Kunst ist ja auch eine große Herausforderung.

Sie waren in Moskau in einer extremen Situation, als die Ausstellung wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine abgesagt wurde. Wir leben in einer Zeit, die sich immer apokalyptischer anfühlt. Die Menschen verschwinden aus Ihren Arbeiten, sie werden zum Avatar, auch das ist - zumindest für mich - eine Dystopie. Und dann sehen wir Eliza Douglas in einem der Filme lächeln – zum ersten Mal. Woher kommt dieses Lächeln?

Ich habe nach einer performativen Geste gesucht, die dieser Avatar machen könnte in meiner Arbeit. Dann dachte ich, das Künstlichste wäre eigentlich das Lachen. Wie performt man aber das Lachen? Indem man es anhält, so lange, bis es zur Grimasse wird und die ganzen Fragen aufwirft, die damit zu tun haben: mit Glück, mit einer Begegnung, mit dem Annehmen vom anderen. Oder eben auch dem Hinterfragen von Weiblichkeit in der Gesellschaft. Es geht darum, dass man sich zeigt, und wie man sich zeigt, und dazu dieses Filmlächeln, an dem wir gearbeitet haben. Es gibt den Moment, wo das zum Joker wird oder zum Clown, den ich interessant finde - auch in Bezug auf die Repräsentation von Weiblichkeit oder auch transmännlichem Aufbegehren. Das steckt in Elizas Performance und ihrer Erscheinung schon drin, hat aber auch mit der immer wiederkehrenden Frage von außen zu tun: Wer bist du? Was bist du? Die Figur ist eigentlich alles und nichts auf einmal und vielleicht in dem einen Moment das und in dem anderen Moment das. Darin steckt auch die Idee von der Freiheit, sich nicht einfügen zu wollen. Diese Fluidität ist es, was der Titel "Youth" für mich bedeutet.