Simon Denny: Merge
Die Ausstellung Merge des 1981 geborenen Simon Denny resultiert aus der langjährigen Auseinandersetzung des Künstlers mit unterschiedlichen Technologien und Politiken des Extraktivismus – dem Abbau und der Monetarisierung von Rohstoffen. Das Projekt erforscht die vermeintliche Logik der Ökonomien, die weltweit Bildschirme leuchten und Computer rechnen, Autos fahren und Messen Handel treiben lassen. Welche Mechanismen und Denkweisen prägen die globalen On- und Offline Industrien, die über den Verbrauch der natürlichen Welt ebenso wie über postkoloniale Machtverhältnisse bestimmen? Dabei schwebt bei Denny immer die Frage mit, wie durch die Nutzung des Internets alternative Modelle generiert werden können. Das Projekt ist Teil einer Ausstellungsreihe im Heidelberger Kunstverein, die im Juni mit Alice Creischer begann und nächstes Jahr mit Marwa Arsanios fortgesetzt wird.
Simon Dennys Merge beginnt in der Halle des HDKV mit einer riesigen Bodengrafik, die die Oberfläche des Brettspiels Squatter zeigt und an die erlebnisorientierte Ausstellungsgestaltung von Technikmuseen erinnert. Während es den Spieler:innen bei Monopoly erlaubt wird, sich als Immobilien Tycoons zu imaginieren, macht Squatter sie zu Schafzüchtern, die um Weidegrund, Herdengröße und Wollabsatz konkurrieren. Das Spiel reflektiert nicht nur die Geschichte der Besiedlung Australiens und Neuseelands, sondern nimmt Bezug auf eine archetypische, noch eng mit physischer Arbeit verknüpfte Form des Extraktivismus. Auf dieser sowohl ästhetisch als auch thematisch elementaren Folie verteilt Denny eine Reihe von großformatigen, aus stabiler Wabenpappe konstruierten Skulpturen. Die Stücke basieren auf Darstellungen moderner halb- oder vollautomatischer Maschinen und Technologien aus den Bereichen Bergbau, Geodaten-Extraktion und Produktivitätsmanagement.
Die Vorstellung von Extraktivismus als ein alle gesellschaftliche Bereiche prägendes Prinzip wird im oberen Stockwerk des Kunstvereins durch die Bezugnahme auf das Schürfen oder Abbauen von Kryptowährungen fortgeführt. Die Objekte der Reihe „Centralization vs Decentralization hardware display“ sind komplett funktionsfähige Mining-Rigs. Während der Ausstellung werden sie aktiv in digitale Schürfprozesse eingebunden. Zusätzlich zu den Stafetten an Grafikkarten, die für die Infrastruktur eines dezentralen Webs notwendig sind, montiert Denny Komponenten wie bedruckte Brettspiele oder Reddit-Fan-Art auf Gehäuseteile, die für zentrale Großrechner-Anlagen verwendet werden. Wenn Denny also Komponenten herkömmlicher Systeme mit deren Antithese collagiert, ist das kein ausschließlich formaler Kniff. Der Künstler nimmt Bezug auf Auseinandersetzungen, die rund um die Machtverteilung im Web stattfinden. Dabei geht es um die Forderung nach einem demokratischen Internet, dessen Steuerung nicht mehr in den Händen weniger GAFA-Giganten – Google, Apple, Facebook, Amazon – liegt.
Der Ausstellungstitel „Merge“ spielt auf das lang ersehnte und kürzlich realisierte Merge des Ethereum-Netzwerks mit dem Proof-of-Stake (PoS) Konsens-Algorithmus an. Zuvor dominierte das durch Bitcoin bekannt gemachte Proof-of-Work Verfahren zur Validierung virtueller Transaktionen, das massive Mengen an Energie verbraucht. Bei PoS ist nicht mehr die Rechenleistung der Miner und extra Hardware ausschlaggebend, sondern der Anteil der Coins. So wird der Merge den Energieverbrauch um 99,95 % drastisch senken.
Durch die Art und Weise, in der Denny Technologie interpretiert, wirft er immer die essenzielle Frage auf, wie wir unsere Welt und unser Leben gestalten wollen.
Kuratiert von Søren Grammel