Es gibt ein Modefoto von William Klein, auf dem ein Model in einer transparenten Tunika ziemlich entrückt auf einem Platz in Paris steht, die Arme erhoben, vielleicht winkt sie, vielleicht tanzt sie in Trance auf jemanden zu. Der Blick ist leicht abgehoben in die Ferne gerichtet. Der Boden scheint zu dampfen, das Licht flirrt. Ein Polizist in Uniform stürzt seitlich auf sie zu, es ist nicht klar, ob er sie retten oder niederringen will.
In diesem Bild sind alle Qualitäten des großen Fotografen William Klein zu sehen: Das Zentrale nicht in die Mitte, sondern an den Rand zu rücken. Dinge wie Licht oder Dampf als visuellen Stoff zu verwenden. Eine Skepsis gegenüber Macht und Autoritäten. Humor und Timing. Und die Möglichkeit, dass die eigentliche Geschichte sich außerhalb des Bildausschnittes zuträgt.
Er war alles zugleich: Street Photographer mit sozialem Anliegen, Modefotograf mit Skepsis gegenüber Konsumkultur und Machtstrukturen, Filmemacher, Künstler.
Lehre bei Fernand Léger
Der 1926 als Sohn immigrierter Ungarn in New York geborene Klein kommt 1947 als GI nach Europa und bleibt. In Paris macht er im Atelier von Fernand Léger eine Lehre, malt, fotografiert und interessiert sich für Film. Das Künstlerische bleibt Bestandteil seiner Bildauffassung, gerade in der Modefotografie lebt er es aus. Er arbeitet aber beispielsweise auch an der Seite von Louis Malle an dessen grandiosem Film "Zazie dans le métro" über ein unangepasstes kleines Mädchen, das Paris aufmischt.
Als er die Modefotografie 1965 aufgibt, sagt Klein, seine Bilder seien gewiss die unpopulärsten, die je in der "Vogue" veröffentlicht worden seien. Legendär sind seine Doppelbelichtungen, bei denen er sein Model beim zweiten Schuss im Dunkel sitzen oder stehen ließ und ein Assistent mit der Taschenlampe um sie herum zeichnete. Das so entstandene Cape aus Licht hat leider bis heute, 60 Jahre später, noch niemand entworfen.
"Fotografie war eine Art, zu sagen, was ich denke", sagte Klein 2017 bei seiner großen Retrospektive bei C/O Berlin, zu deren Eröffnung er angereist war. Jetz starb er im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Paris.