Die südkoreanische Messewoche mit Kiaf, Frieze und Frieze Masters geht am morgigen Dienstag zuende. Nachdem die politische Instabilität in Hongkong den asiatischen Kunstmarkt zuletzt in Bewegung brachte und Südkoreas Hauptstadt Seoul den Anspruch formulierte, Asiens neuer Hotspot für zeitgenössische Kunst werden zu wollen, stellt sich nun die Frage: Wunschdenken oder bereits Realität?
Nach einer mehr als zwei Jahrzehnte langen Geschichte der Kiaf mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössisch koreanische Kunst wird das Messegeschehen angesichts der Frieze-Neuzugänge erstmals internationaler. Denn bekannte Galerien wie Peres Projects und die Whitestone Gallery mischen sich unter eine Reihe führender koreanischer Galerien wie der Gallery Hyundai, Hakgojae Gallery, Johyun Gallery und Keumsan Gallery. Dieser Umstand verschärft jedoch auch den Wettbewerb auf der Halbinsel mit insgesamt 52 Millionen Einwohnern.
Die vom koreanischen Galeristenverband initiierte Kunstmesse Korea International Art Fair (Kiaf) präsentiert sich in ihrer 21. Ausgabe mit 164 Galerien auf der Hauptmesse — und in einer neuen Sektion mit 73 Ausstellern, der Kiaf Plus. Diese legt den Schwerpunkt auf neue Medienkunst und NFTs (non-fungible tokens).
Gäste auf der Traditionsmesse Kiaf
Eine Durchmischung mit zahlreichen internationalen Galerien findet in diesem Jahr auch deshalb statt, weil viele Bewerbungen bei der Frieze Seoul abgelehnt wurden und die Kiaf zum Ausweichort fungierte. Dennoch konnten diese Galerien auch dort durchweg gute Umsätze erzielen — auch wenn koreanische Galeristen dieser Ausgabe der Messe hinter vorgehaltener Hand bescheinigten, die schlechtesten Umsätze seit Bestehen gehabt zu haben.
Dennoch nutzten deutsche Galerien auf der Kiaf die Gunst der Stunde: wie zum Beispiel Efremidis mit Verkäufen von großformatigen Arbeiten im Gingham-Muster der US-Künstlerin Michelle Grabner aus Milwaukee für 75.000 Dollar. Oder gleich nebenan die Nürnberger Galerie Von & Von in einer Solo-Präsentation mit konzeptuellen Landschaftsmalereien des heute in Fulda lebenden und arbeitenden polnischen Malers Leszek Skurski. Diese sorgte beim Galeristen für einen komplett ausverkauften Stand noch vor Messeende.
Sicherlich kein zufälliger Erfolg. Denn Skurski, der mit bereits 22 Jahren den Nationalpreis für Malerei Polens erhielt, wird in Südkorea bereits von zwei großen Galerien vertreten. Außerdem ist dessen Konterfei derzeit auf jeder südkoreanischen Ausgabe der Zeitschrift "Marie Claire" zu finden.
Newcomer Frieze Seoul
Mit der Frieze Seoul bekommt die älteste koreanische Kunstmesse erstmals zeitgleich ein internationales Event im Coex-Kongresszentrum im Szeneviertel Gangnam vorgesetzt. Hier zieht der neue britische Ableger aus dem Regent´s Park ein, der bereits Satelliten in Los Angeles und New York betreibt. Die Frieze kommt mit 119 Galerien aus 20 Ländern, darunter 55 mit Sitz in Asien. Und landet an dem Ort, der noch vor drei Wochen im Zentrum eines Orkans lag. Dieser verursachte nicht nur Überflutungen, sondern kostete auch rund einem Dutzend Menschen das Leben.
In der dritten Etage des Kongress-Zentrums gibt es (wie bereits auf der Kiaf im ersten Obergeschoss) die gefühlt weltweit größte Dichte an historisch großen Skulpturen des Fluxus-Künstlers Nam June Paik (1932-2006). Außerdem finden sich hier große Kontraste zwischen Kunst im Stile von Manga und Anime und internationalen Stars der Galerien Max Hetzler, Meyer Riegger, Neugerriemschneider, Sprüth Magers und Carlier Gebauer: Letztere zeigt die Künstlerinnen und Künstler Asta Gröting, Kyungah Ham, Pakui Hardware, Tarik Kiswanson, Laure Prouvost, Jessica Rankin und Maria Taniguchi.
Insgesamt bieten sich dem Besucher auf der Kiaf und auf der Frieze mehr als 350 Galerien auf zwei Geschossen an. Und einige Teilnehmer, wie etwa Perrotin, Esther Schipper, Kukje Gallery und Arario nutzen sogar die Gelegenheit, sich auf beiden Messen zu präsentieren.
Museumsreife Alte Meister
Nur ein kleiner Teil der Frieze, etwa ein Sechstel ihrer Fläche mit insgesamt 18 internationalen Händlern, war der Sektion Masters vorbehalten, die Meisterwerke der Moderne und Nachkriegszeit zeigt. Eine kleine, aber feine Auswahl mit verschiedenen Gruppenausstellungen. Wie die von Annely Juda Fine Art aus London mit Werken von David Hockney, Anthony Caro, Christo, Leon Kossoff, David Nash und Alan Green sowie Werken der Avantgarde des 20. Jahrhunderts wie Naum Gabo und Kasimir Malewitsch. Die Tokyo Gallery aus gleichnamiger Metropole präsentierte hingegen namhafte japanische und koreanische Künstler der Nachkriegszeit wie Aiko Miyawaki, Yoshio Sekine, Kishio Suga, Jiro Takamatsu, Kim Tschang-Yeul, Kim Whanki, Lee Dong-Youb, Lee Kang-So, Park Seo-Bo und Yun Hyong-Keun.
Auch die als Kunsthandlung im Jahr 1921 in New York gegründete Acquavella Galleries zeigte sich mit Meisterwerken; darunter Gemälde von Pablo Picasso und Andy Warhol sowie bedeutende Werke der Künstler Francis Bacon, Jean-Michel Basquiat, Alberto Giacometti, Keith Haring, Ellsworth Kelly, Willem de Kooning, Henri Matisse, Piet Mondrian, Robert Rauschenberg und Tom Sachs. Zu den Höhepunkten zählte auch die Präsentation der koreanischen Galerie Hakgojae. Diese hat ihrer Galerie am Standort Seoul ein eigenes Privatmuseum in einem Tempelbau zur Seite gestellt.
Auf der Messe trumpfte sie mit Werken wie Nam June Paiks "Radio Man" (1987), einer Hommage an Joseph Beuys, und Kunst von Yun Suknam auf. Ebenso lohnte sich die erste Retrospektive von Egon Schiele in Seoul mit mehr als 40 Werken in musealer Qualität, darunter Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Diese fand sich bei der Londoner Richard Nagy Gallery aus bester Old-Bondstreet-Lage und zog vor allem mit Schieles berühmten erotischen Frauenbildern, Porträts und seltenen Landschaften Käufer an.
Corona und eine veränderte Gesellschaft
Und auch das Corona-Thema blieb dem Publikum dieser Tage erhalten. In der Stadt wie auch beim Besuch der Messe sind Masken allgegenwärtig. In Innenräumen sind sie Pflicht. Außerdem mussten Besucher vor ihrer Reise einen negativen Covid-19-Schnelltest vorweisen und bei der Einreise einen PCR-Test durchführen. Lieferte dieser ein positives Ergebnis, so ging es anstelle des Messebesuchs für eine siebentägige Isolation direkt in eine von der Regierung ausgewiesene Einrichtung. Auf eigene Kosten.
Auffällig waren die vielen jungen Käuferinnen und Käufer, die auf Seouls Kunstmessen unterwegs waren. Dabei hat die Covid-Ära wohl auch unter den Millennials und der Generation Z zu einer Verbreiterung der Sammlergruppe in Asien beigetragen. Einem Kiaf-Sprecher zufolge waren im vergangenen Jahr bereits mehr als die Hälfte der 88.000 Menschen auf der Messe Erstbesucher. Dieser Trend schien sich in diesem Jahr fortzusetzen, und die Besucherzahlen dürften noch einmal in die Höhe geschnellt sein.
Bei Besucherinnen, Sammlerinnen und Galeristen scheint der Standort gleichermaßen gut anzukommen. Es gibt keine Einfuhrzölle und auch keine Mehrwertsteuer auf Bilder und Skulpturen von lebenden Künstlern im Wert von weniger als 45.000 Euro. Nur für Fotografien, Editionen, Multiples, also leicht Reproduzierbares, fallen hier moderate zehn Prozent Steuern an.
Steuerparadies und politischer Wille
Die aktuelle Fiskal- und Erbschaftspolitik des neuen sozialkonservativen Präsidenten Yoon Suk Yeol scheint den sichtbaren Trend einer auf die Kunst und Kultur ausgerichteten Politik zu stärken. Zuletzt wurde eine Zusage zur Einrichtung eines 3,66 Milliarden Dollar schweren Fonds zur Förderung der Kunst erteilt. Ebenso mit dem Wohlwollen der Politik etabliert sich ein unternehmerfreundliches Klima für Investitionen. Die bereits in Seoul ansässige kleine Szene von etwa zehn international tätigen koreanischen Galerien bekommt dies positiv zu spüren.
Neben aus Hongkong zugezogene Galerien lockt der Standort vor allem auch Kunsthändler aus der westlichen Hemisphäre an. So werden diese immer zahlreicher: Unter den Neuzugängen sind zum Beispiel Lehmann Maupin, Pace, Thaddaeus Ropac, Perrotin und Gladstone. Ableger der Efremidis Galerie und Kang Contemporary aus Berlin sind in Planung.
Schwergewichte wie Gagosian und Hauser & Wirth erzielten ebenso gute Umsätze wie auch Thaddaeus Ropac aus Salzburg. Dieser lud mit der Anselm-Kiefer-Ausstellung "Wer jetzt kein Haus hat" bereits am Vorabend der Messe in seine neue Dependance ein und bahnte Verkaufsgespräche für die Messewoche an — bevor viele der Anwesenden schon die Weiterreise nach New York zur Armory Show antraten. Die Messewoche in Seoul ist bei vielen schon jetzt für das kommende Jahr im Kalender vorgemerkt. Und damit nun ein neuer bedeutender Bestandteil im internationalen Kunstbetrieb.