Justine Emard, Ihre Installation "Supraorganism" reagiert auf die Betrachterinnen und Betrachter, gibt aber auch Ihre Beobachtungen von Bienen wieder. Bienen werden gerne als Metapher für Gesellschaften oder Staaten benutzt – geht es Ihnen darum?
Bienen können auch die Neuronen sein und der Schwarm das Gehirn. Sie bestehen lange, aber einzelne Bienen sterben jeden Tag. Ähnlich ist es mit Neuronen.
Warum Bienen?
Ich finde faszinierend, wie Bienen kommunizieren, wie sie ihre Sprache bestimmen. Ich habe sie mit einer Kamera aufgenommen und ihre Bewegungen protokolliert, und als Artist-in-Residence am Zentrum für Kunst und Medien habe ich mit einem Programmierer stundenlang einem Computer beigebracht, die Insekten zu erkennen.
Und die Daten haben Sie dann in eine Installation aus klingenden Glaskörpern übersetzt?
Das ist eher eine Aufführung als eine Übersetzung. In jeder Skulptur sind LEDs und Motoren: Geschwindigkeit, Bewegung, alles wird durch die Animation der Glasobjekte dargestellt. Die Installation ist wie ein Organismus, der sein Verhalten in Echtzeit neu organisiert.
Ist das dann der Supraorganismus?
Der ist eine Entität aus verschiedenen Organismen. Bienen stehen am Anfang, aber es ist abstrakter. Manche sehen Sterne oder Unterwasserwesen darin, ganz als würde man ein anderes Ökosystem betreten.
Die Arbeit ist in einer Gruppenausstellung zu sehen, in der es um künstliche Intelligenz geht. Erreicht man irgendwann den Punkt, an dem die Illusion von Leben glaubhaft wird?
Leben zu simulieren ist fast nie erfolgreich. Ich habe zuvor an Videos mit menschenähnlichen Robotern gearbeitet, und dabei hat mich gerade die Imperfektion interessiert. Neues Verhalten entsteht, wenn man Raum für Unvorhersehbares lässt.
Der Roboter, den Sie in diesen Videos auftreten lassen, heißt Alter – Lateinisch für "der Andere". Er interagiert unter anderem mit einem Tänzer. Die Begegnung von Mensch und animiertem Wesen ist doch ein uraltes Thema in Kunst und Mythologie?
Wir können aber heute Systeme bauen, die mit Menschen interagieren. Sie analysieren große Datenmengen und entwickeln ihr eigenes Verhalten. Ich bin gerne nah bei diesen Technologien, denn in der Kunst sieht man oft nur das Resultat, dabei ist es bewegend, der Maschine beim Lernen zuzusehen – wie bei einem Neugeborenen. Vielleicht können wir auch von der Maschine lernen.
Warum?
Das liegt an ihrer Andersartigkeit. Als ich zum ersten Mal zwei Roboter interagieren ließ, schufen sie gemeinsam etwas aus dem Nichts. Das fördert dann natürlich auch das Nachdenken über uns Menschen, denn hinter dem Roboter steckt meist ein Kollektiv von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Was trägt Wissenschaft zu Ihrer Arbeit als Künstlerin bei?
Kunst und Wissenschaft fußen auf einer ähnlichen Vision. Sie wollen Werkzeuge und Sprache schaffen, um die Welt neu zu definieren.