"Komm vorbei und gestalte mit uns die Welt von morgen!", so verspricht es die Website des Solar Decathlon, einem weltweiten Architekturwettbewerb für klimafreundliches Leben, dessen Ergebnisse derzeit in Wuppertal zu sehen sind. In der dortigen Utopiastadt sind 15 begehbare Häuser aufgebaut, die dank modernster Technik und intelligenter Architektur die ökologischen Probleme der Gegenwart lösen sollen.
Es gibt Hightech und DIY, Wärmetauscher und Solarzellen, Lehmputz und Grünfassaden. Es wird recycelt und wiederverwertet, es gibt Gemeinschaft ermöglichende Außenmöblierung und Strategien für in der Stadt lebende Tiere. Das volle Programm. Entworfen und gebaut wurden die ausgestellten Gebäude von Studierenden aus aller Welt, denn der Wettbewerb richtet sich an Universitäten, die hier ihre Zukunftsfähigkeit beweisen und bewerben wollen.
Bei den bisherigen Solar Decathlons ging es um zukunftsfähige Einfamilienhäuser, die Bauaufgabe, die letztlich die meisten Menschen interessiert – die aber per se nicht besonders ökologisch ist. In Wuppertal wurde der Schwerpunkt auf das Weiterbauen im urbanen Bestand gelegt – Nicht der Neubau auf der grünen Wiese, sondern Baulücke, Sanierung und Aufstockung stehen im Fokus. Und nicht irgendwo als fiktive Aufgabe, sondern ganz konkret im an das Ausstellungsgelände angrenzenden Stadtteil, in dem dazu extra als vorbereitende Forschung eine Bürgerbefragung durchgeführt wurde. Alles richtig gemacht, könnte man sagen.
Ein Unbehagen in der Ausstellung
Ich besuche die 1:1-Architekturausstellung an einem Freitagnachmittag. Die Hitzewelle rollt an, die Sonne brennt, und die Folgen des Klimawandels sind am eigenen Körper spürbar. Vor den Häusern haben sich lange Schlangen gebildet, die Ausstellung ist gut besucht, das Interesse groß. Aber als ich über das Gelände ging, beschlich mich dennoch ein Unbehagen.
Dieses lag nicht an den Interessensschwerpunkten der anderen Besucher, die sich zum Beispiel für die Terrassengröße oder hübsch gestaltete Bäder interessierten. Es lag auch nicht an der Architektur, die dann doch Einfamilienhaus-mäßiger daherkam, als es die Bauaufgaben vermuten ließen. Es lag eher an einem methodischen Zielkonflikt, der vielleicht genau dann entsteht, wenn man alles richtig machen will, aber dafür auf die – meiner Meinung nach – falschen Parameter setzt.
Irgendwie erinnert das Gelände an eine frisch errichtete Musterhaussiedlung für Fertighäuser, aller urbanen Thematik zum Trotz. Die Wettbewerbsbeiträge sind ordentlich in Reih- und Glied aufgereiht, der kahle Boden ist mit Schotter und Rindenmulch abgedeckt. Klimafreundlich stelle ich mir anders vor, aber geschenkt, es ist eine temporäre Ausstellung und da müssen pragmatische Lösungen her.
Die Utopie der Teslaisierung
Mein eigentliches Unbehagen rührt von noch etwa anderem her: der Idee des Wettbewerbs, und der daraus resultierenden Strategie der Selbstdarstellung. Denn der Eindruck, in einer Musterhaussiedlung für Fertighäuser zu sein, entsteht nicht durch die Architektur, sondern durch deren Inszenierung. Die Häuser tragen Produktnamen wie "RoofKit", "LevelUp", oder "Deeply High". An den Fassaden sind gestylte Logos angebracht und die Studierenden, die durch ihre Bauten führen, tragen entsprechend bedruckte T-Shirts. So entsteht aber nicht der Eindruck eines utopischen Experimentierfelds, sondern der einer Versuchsanstalt für kapitalistische Selbstvermarktung, die mit aller Solarkraft in der Kommerz- und Fortschrittsfalle landet.
Vielleicht bin ich zu streng. Aber ich glaube, dass an diesem Punkt eines der Grundprobleme der Gegenwart sichtbar wird. Das Problem: Es wird eine wichtige Themenstellung benannt (Klimafreundlicher Umbau des urbanen Bestandes), es wird ein geeigneter Ort gefunden (das subkulturell-ökologische Zentrum Utopiastadt in der Transformationsmaschine Wuppertal) – und dann doch wieder in die Routinen des Fortschrittsfantasmas und der Selbstvermarktung zurückgefallen. Und dieser Rückfall vollzieht sich nicht nur auf der ästhetischen Oberfläche, sondern geht tief in die Inhalte.
Der Kern der ausgestellten Architektur, das Raumprogramm, ist in fast allen Beiträgen konventionell. Kaum Ansätze für gemeinschaftliches Wohnen, dafür aber schicke Küchen, schöne Bäder und tolle Technik. Der Lebensstandard der Gegenwart, so das Versprechen, kann gehalten werden, wenn wir nur die richtige Technik einsetzen. Vielleicht ist es mein persönlicher Pessimismus, aber ich glaube nicht, dass die Teslaisierung der Welt die Rettung ist.
Ist der Wettbewerb um Punktzahlen die beste Lösung?
Die heutigen Studierenden sind die Architektinnen und Architekten der Zukunft. Es ist wichtig, sie für alles rund um Klimawandel und Klimafreundlichkeit zu begeistern. Aber was wird ihnen vermittelt? Zum einen, dass sie die richtige Technik einsetzen müssen. Dass sie für das, was sie machen, einen guten Werbeclaim brauchen. Und dass unsere Gesellschaft auf Konkurrenz beruht.
Decathlon heißt Zehnkampf, es gibt also mehrere Kategorien, sie reichen von Architektur zu Nachhaltigkeit, von Öffentlichkeitsarbeit zu Mobilität, von Komfort zu Funktion. Wie man das alles voneinander trennen kann, ist mir unklar, mich interessiert integriertes Denken mehr als sektorales, aber klar: Je mehr Kategorien es gibt, desto mehr Preise kann man vergeben – und gewinnen.
21 Auszeichnungen sind es in Wuppertal, in jeder Kategorie, für alles zusammen, vom Publikum und dann auch noch Sonderpreise von der Industrie. Es gibt Jurys, die Punkte vergeben, 75 bis 150 pro Kategorie. Alles also transparent, fair und nachvollziehbar, und am Ende gibt es ganz viele Gewinner. Ist das die Utopie, auf die wir uns einigen wollen? Ich stelle mir ein "klimafreundliches Leben" irgendwie anders vor.
Das Desaster als wirkliche Utopie
Vielleicht bin ich ungerecht, vielleicht mit zu viel Erwartungen angereist. Oder es war einfach zu heiß. Aber das utopische Moment hat mich am Ende doch noch gepackt, und zwar im Wettbewerbsbeitrag der schwedischen Universität Chalmers. Sie waren mit ihrem Gebäude nicht fertig geworden, ihr Beitrag war mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, die Studierenden werkelten noch. Das ganze Projekt war – auf den ersten Blick – ein Desaster.
Soweit ich es verstanden habe, wollte die Hochschule eigentlich eine neue Technologie vorstellen, 3D-Druck von Zellulose und Holzfaser als Wiederverwertung von Abfällen aus der Holzwirtschaft. Ein Modell einer möglichen Tragwerksstruktur hatten sie mitgebracht, aber das Geld hat gefehlt, und so waren für Wuppertal nur Fassadenelemente vorgesehen. Und wegen des Geldmangels waren auch viel zu wenige Studierende aus Schweden angereist, denen zu allem Unglück dann auch noch der 3-Drucker kaputt ging.
Und plötzlich begannen die Studierenden von den anderen Universitäten, ihren schwedischen Kolleginnen zu helfen. Der Abfall ihrer Baustellen wurde verwendet, um "in Schweden" doch noch etwas zu Stande zu bringe. Studierende aus Frankreich brachten ihren Lehmputz mit, ein paar Niederländer verlegten die Fliesen, die beim Pavillon aus Valencia übriggeblieben waren, und als ich durch die Baustelle ging, schlossen zwei Studentinnen aus Lübeck gerade die Heizung an.
Hoffentlich nehmen die Studierenden diese Erfahrung mit
Im Versagen der ökonomischen Selbstdarstellungsmechanismen und technologischen Machbarkeitsfantasien entstand ein utopisches Moment. So etwas wie eine Verantwortungsgemeinschaft war entstanden, die aus dem Restmüll der technologischen Zukunftsfantasien eine alternative Gegenwart improvisiert.
Ganz unbeabsichtigt war die Utopie eines klimafreundlichen Lebens doch greifbar und der Claim "Komm vorbei und gestalte mit uns die Welt von morgen!" eingelöst. Hoffentlich werden die beteiligten Studierenden diese Erfahrung in die Gestaltung einer klimafreundlichen Zukunft mitnehmen.