Eine Frau, daneben ein Mädchen und ein Junge, der auf eine Schultafel das Wort Freiheit schreibt. Françoise Gilot hat das Bild 1952 gemalt, ein Jahr später verließ sie Picasso, den Vater ihrer beiden Kinder Claude und Paloma, die auf dem Bild dargestellt sind. Das Werk ist zurzeit in Saint-Rémy-de-Provence in der Nähe von Avignon zu sehen – zusammen mit rund 50 weiteren Arbeiten der Künstlerin, die am Freitag 100 Jahre alt wird.
"Les années françaises" (dt. "Jahre in Frankreich") heißt die Ausstellung im Musée Estrine, die so etwas wie eine Rehabilitierung der Künstlerin sein will. Denn Gilot wurde nach ihrer Trennung von Picasso und vor allem nach dem Erscheinen ihres Buchs "Leben mit Picasso" im Jahr 1965 in Frankreich als Malerin ignoriert und missachtet, wie auch die Biografin von Gilot, Annie Maïllis, in mehreren Interviews sagt. Gilot lebt heute in New York, wo ihr bereits 1970 im Southampton Museum of Art eine Werkschau gewidmet wurde.
Die bis zum 23. Dezember dauernde Ausstellung in Südfrankreich zeigt Arbeiten, die zwischen 1939 und 1970, als sie sich dauerhaft in den USA niederließ, entstanden sind. Damit soll daran erinnert werden, dass Gilot eine Französin ist, deren Heimatland sich noch immer schwer damit tut, ihr ihren rechtmäßigen Platz einzuräumen, wie auf der Homepage der südfranzösischen Stadt zu lesen ist.
"Die Frau, die nein sagt"
Sie sei die einzige Gefährtin von Picasso, die ihn verlassen hat - alle anderen seien verrückt geworden oder hätten Suizid begangen, sagte Maïllis unter anderem im Radiosender France Info. Zusammen mit Sylvie Blum hat sie den im Juni erschienenen Arte-Dokumentarfilm "Pablo Picasso & Françoise Gilot - Die Frau, die Nein sagt" gedreht.
Dieses Nein-Sagen sei einer Majestätsbeleidigung gleichgekommen, erzählte die Literaturwissenschaftlerin. Picasso soll einst gesagt haben, dass man einen Mann wie ihn nicht verlasse. Zwei seiner zahlreichen Frauen, Marie-Thérèse Walter und Jacqueline Roque, nahmen sich das Leben. Olga Chochlowa und Dora Maar wurden depressiv.
Picasso wollte das Buch verbieten lassen, in dem Gilot von ihrem Alltag und einem launischen mann schrieb, der jenen das Leben schwer machte, die es mit ihm teilten. Doch das Werk wurde zu einem Bestseller, begleitet von einem juristischen Kleinkrieg. Im April 1965 rief die literarische Wochenzeitung "Les Lettres françaises" sogar eine Petition zum Verbot der Veröffentlichung ins Leben. Picasso brach deshalb auch den Kontakt mit den beiden Kindern ab. Zudem soll er den Pariser Galerien gedroht haben, dass sie nie wieder ein Bild von ihm bekämen, sollten sie Gilots Werke ausstellen.
"Paloma à la Guitare" für eine halbe Million
Sie war rund 40 Jahre jünger als er, als die beiden sich 1943 kennenlernten. Für Gilot waren die ersten drei Jahre mit Picasso die besten, denn man habe sich nur zweimal im Monat gesehen, sagte die Malerin der Wochenzeitung "Paris Match". Als Picasso jedoch 70 Jahre alt wurde, sei ihm ihre Jugend unerträglich geworden und auch sie habe sich verändert. In dem Gespräch beschrieb sie ihn als bestimmend und dominant. Sie habe ihre Freiheit gewollt, die sie erst erobert hatte, indem sie ihre Eltern verlassen hatte, erzählte sie in dem Interview weiter. Sie habe ihm Widerstand geleistet.
Gilot wurde am 26. November 1921 in Neuilly-sur-Seine geboren, einem bürgerlichen Vorort westlich von Paris. Ihre Mutter war eine talentierte Aquarellmalerin. Ihr Vater, ein erfolgreicher und autoritärer Geschäftsmann, wollte, dass sie Jura studierte. Um dem Druck ihres Elternhauses zu entkommen, zog sie 1938 zu ihrer Großmutter, wo sie sich ein Atelier einrichtete. Im Mai 1943 organisierte sie bereits ihre erste Ausstellung.
Nach der Trennung ging Gilot in die USA, wo sie zahlreiche Sammler hatte. Dort heiratete sie 1970 Jonas Salk, den Entdecker des Polio-Impfstoffs gegen Kinderlähmung. Heute sind ihre Werke unter anderem in den Sammlungen amerikanischer, japanischer und deutscher Museen zu finden. Erst im Juni wurde von ihr das Ölgemälde "Paloma à la Guitare" in London für über eine Million Euro versteigert.