40 Stunden lang sprach der damals 26-jährige Andrew Birkin, Bruder von Jane Birkin und spätere Drehbuchautor von "Der Name der Rose" oder Luc Bessons "Johanna von Orleans", mit Albert Speer über dessen Bestseller-Memoiren - mit dem ranghöchsten Hitler-Freund, der 1946 in Nürnberg der Todesstrafe entging. Das Studio Paramount erkannte in dem "guten Nazi", wie Speer sich selbst gern und hartnäckig inszenierte, ein Potential und plante 1971 einen Spielfilm, für den Birkin ein Drehbuch verfassen sollte. Auf seine Tonbänder hat nun die israelische Regisseurin Vanessa Lapas zurückgegriffen, die schon 2014 mit "Der Anständige" anhand von Briefen und Tagebucheinträgen ein verstörendes Psychogramm von Heinrich Himmler entworfen hat.
Auf der Ton-Ebene dominiert in ihrem neuen dokumentarischen Werk "Speer Goes to Hollywood" die Stimme des angehenden Filmstars - leider überlagert von einer Sprecher-Stimme, die wegen der Schädigung der Original-Bände das Transkript vorliest. Speer beantwortet freundlich bis charmant Birkins Fragen, die auch die brisanten Kapitel ansteuern. Eine Erklärung für sein angebliches Unwissen hat er stets parat, egal ob die Deportationen oder die Ausbeutung der Zwangsarbeiter zur Sprache kommen. Der Kontrast zum Archivmaterial könnte nicht größer sein. Lapa zeigt in einer virtuosen Collage Speers reumütige Talkshow-Auftritte, belastende Aussagen von Zeitzeugen während seiner Verteidigung bei den Nürnberger Prozessen, Aufnahmen von Zerstörungen des Krieges und dem Albtraum der Konzentrationslager.
Mit jedem Bild zerfällt das revisionistische Lügengebilde eines tief ins Dritte Reich involvierten Profiteurs, dessen Karriere bis zum Chefarchitekten und Rüstungsminister reichte. Mit welch manipulativen Mitteln der Konstrukteur einer zukünftigen NS-Hauptstadt Germania es beinahe geschafft hätte, die Geschichte alternativ umzuschreiben, veranschaulicht Lapa im Spiegel der Faszination, die er lange nicht nur in der verdrängungswilligen Bundesrepublik genoss, sondern auch auf einen jungen Engländer, dessen Schwester mit dem jüdischen Sänger Serge Gainsbourg liiert war, auszustrahlen vermochte.
Birkin war sich bei seinem "Whitewashing" sogar nicht zu schade, Speer im Drehbuch eine heruntergerechnete Zahl der bei seinen Projekten ums Leben gekommene Zwangsarbeiter anzubieten. Nicht so der für die Regie eingeplante Carol Reed. Der Brite durchschaute Speers wahre Absichten und riet von der Verfilmung ab. Paramount folgte seiner Einschätzung. Und ersparte so dem Studio - und auch der Öffentlichkeit - ein peinliches PR-Desaster.