Mit weit von sich gestreckten Gliedmaßen hängen die Figuren im Raum, vermummt durch signalfarbene Schlafsack-Anzüge, hinter den Schlitzen ihrer wattierten Hauben blinzeln müde animierte Augenpaare hervor. Für ihre Installation "Thermal Womb" hat sich Stine Deja Inspiration in der Welt der Kryokonservierung gesucht. Der Begriff bezeichnet einen aktuell von drei Unternehmen weltweit angebotenen Service, bei dem in Stickstoff eingefrorene menschliche Köpfe und Körper bei –140° C gelagert werden – mit dem Versprechen der Reanimation, sobald diese technologisch möglich wird.
Im Gegensatz zur platzsparenden Kokonhaltung, die die verstorbenen Kunden des US-amerikanischen Anbieters Alcor tief unter dem roten Wüstensand Arizonas einnehmen, sind die Hände und Füße von Dejas Kryokreaturen jedoch an großen Metallringen befestigt, die die Körper umspannen: eine Referenz auf Leonardo da Vincis Vitruvianischen Menschen ebenso wie auf die kreiselnden Apparaturen, mit denen Astronauten einst für die Schwerelosigkeit trainierten. "Auch meine Kokonmenschen befinden sich in einer gewissen Form des Trainingszustands, sie bereiten sich vor auf ein Leben außerhalb der Zeitlichkeit", erklärt Deja, die 2015 ihren Master am Londoner Royal College of Art abgeschlossen und zuvor im dänischen Kolding Design studiert hat.
Sie setzt sich in ihren Arbeiten mit den ethischen Dilemmas auseinander, die technologische Innovationen und transhumanistisches Bestreben mit sich bringen. In ihren Videoinstallationen haucht sie der aalglatten Ästhetik digitaler Renderings mit humorvollen Brüchen Leben ein: Roboter schmettern mit schiefer Stimme "I Want To Know What Love Is", mechanische Greifarme vereinen sich in schmatzenden Küssen. In "Cryptic Ruins", einer Animation für das britische Somerset House, wird ein Fitnessstudio zur historischen Ausgrabungsstätte einer fernen Zukunft – einem Ort, so mutmaßt eine Dokumentarsprecherin aus dem Off, der wohl einst als Tempel des Körperkults diente, in dem Kalorien als Opfergaben verbrannt wurden.
New Now zeigt digitale Kunstwerke zu Themen unserer Zeit
Aktuell vollzieht die dänische Künstlerin eine thermodynamische Kehrtwende von Eis zu Feuer. Als Artist in Residence des in diesem Jahr erstmals stattfindenden New Now Festival bespielt sie gemeinsam mit neun anderen Künstlern und Künstlerinnen die Essener Zeche Zollverein. Deja recherchiert für ihre Videobeiträge zur Rolle des Feuers in der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung, von der Erfindung des Kochens bis hin zum Kohlebergbau, der das Ruhrgebiet um teilweise 24 Meter absacken ließ: "Mich interessiert, wie Menschen und Technologien sich gegenseitig formen."
Als Spiegelbild der Kohletrichter, die wie umgekehrte Betonpyramiden von der Decke der massiven Ausstellungshalle hängen, will Deja ihre Videos voll lodernder virtueller Flammen auf mehreren zu einem Kartenhaus gestapelten Screens zeigen. Ob das statisch riskante Unterfangen gelingt oder es zum großen Crash kommt, wird sich zeigen.
Das Wochenende der Ausstellungseröffnung des New Now Festivals am 18. und 19. September wird begleitet von der interdisziplinären Konferenz "Another End Is Possible“. Internationale Speaker und Künstler und Künstlerinnen wie Nelly Ben Hayoun-Stépanian oder Ingrid LaFleur erforschen hier Fragen rund um das Zusammenspiel von Mensch, Natur und Technologie, diskutieren neue Gesellschaftsentwürfe und wagen sich an die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. Wir verlosen 5x2 Tickets, die auch für die Ausstellung sowie für die Immersive Sound Night am 17. September gelten. Für die Teilnahme an der Verlosung bitte eine E-Mail mit dem Betreff "New Now" und Ihrem Vor- und Nachnamen bis Montag, 13. September, 14 Uhr an info(at)monopol-magazin.de schicken. Die Gewinner werden per Mail über die Anmelkdemodalitäten benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.