Karlsruhe (dpa) - Hunderte Bücher in Regalen, Bücher und Zeitschriften auf dem Boden, eine Anonymous-Maske mittendrin - wenn Peter Weibel in seinem chaotischen Büro von Kindern besucht wird, kommt schon mal die Frage: «Mama, warum darf der das?» Der Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe erzählt das mit sichtlicher Freude. Kunst darf alles. Am Mittwoch wird Weibel 70 Jahre alt. Aber Ruhestand ist ein Fremdwort für ihn.
«Ich habe noch große Ausstellungen vor», sagt Weibel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er will die Geschichte der Skulptur neu darstellen, so dass auch die Aufhebung der Materie zu ihrem Recht komme: «Skulptur ist mehr als Volumen und Masse, auch die Luft in Seifenblasen ist Skulptur.» In einer anderen Ausstellung möchte er die Philosophie und Kunst der Komik zeigen. Die letzten beiden Jahre seines bis 2019 laufenden Vertrags will er dafür verwenden, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für das ZKM zu finden und einzuarbeiten.
Peter Weibel redet in halsbrecherischem Tempo, die Sätze sprudeln nur so aus ihm heraus. Jeder Satz ist eine atemlose These, eine kunstphilosophische oder medientheoretische Abhandlung. Er hat Entgrenzung vorgelebt, Enthemmung und Aufhebung von Identitäten. 2004 montierte er einen riesigen Griff mitten auf eine Wiese in Graz und nannte die Arbeit «Der Globus als Koffer». Unter dem Motto «Ich bin die Leinwand» ließ er sich Pornofilme auf den nackten Körper projizieren.
Nein, Weibel wird auch im Alter nicht ruhiger. Aber er sieht jetzt manches anders. «Ich fange an, darüber nachzudenken, wo ich zu weit gegangen bin bei der Auflösung aller Identitäten.» Grenzen könnten auch sinnvoll sein, zur Wahrung der menschlichen Würde. Für eine humane Gesellschaft seien Grenzen der Selbst- und Fremdausbeutung wichtig.
Der Österreicher wurde am 5. März 1944 in Odessa in der Ukraine geboren, er sieht sich als Kosmopolit und als «genetischen Zufall». Seine unglückliche Kindheit habe ihn sehr geprägt, erzählt Weibel: «Ich war ein Schlüsselkind, ich war auf der Straße. Ich musste lernen, alles selber zu machen.» In Heimen und Internaten habe es oft Reibungen und Ärger gegeben.
Dann studierte er in Wien und Paris: Literatur, Philosophie, Mathematik, Medizin. Eine Dissertation über mathematische Logik habe er zwar geschrieben, aber nie eingereicht, weil er noch nicht damit zufrieden gewesen sei.
«Die Arbeit liegt zu Hause herum und wird dann irgendwann im Nachlass erscheinen und wird die Leute verblüffen», sagt Weibel und schmunzelt. «Bei mir ist ein Werk nie fertig. Ich bin berüchtigt dafür, dass ich nie Termine einhalten kann. Ich bin ein idealer Nachlasskünstler.» So gebe es auch fast fertige Gedichtbände, unvollständige Drehbücher und Romane.
Weibel lehrte an Hochschulen in Wien, Kanada, den USA und Australien. 1989 war er erster Direktor des Instituts für Neue Medien (INM) in Frankfurt am Main und prägte die Entwicklung der Computerkunst. Der Turbokünstler ist unermüdlich, rastlos, immer auf Achse, immer ein neues Projekt vor Augen, eine neue Ausstellung im Sinn.
Über ein Dutzend Auszeichnungen nahm er in den vergangenen 25 Jahren entgegen: Unter anderem bekam er den Käthe-Kollwitz-Preis, den Europäischen Kultur-Projektpreis und gleich zweimal den Prix Ars Electronica. Die vorerst letzte Auszeichnung ist der mit 20 000 Euro dotierte Oskar-Kokoschka-Preis für sein künstlerisches Gesamtwerk.
Dazu gehörte auch die vor über 35 Jahren gegründete Band Hotel Morphila Orchester, die zuletzt 2011 auftrat, sich nun aber aufgelöst hat. «Wir haben uns heuer auseinandergelebt», sagt Weibel. «Ich wollte in Richtung Noise (Geräusch) weitergehen, die wollten aber eher in Richtung Melodie. Das ist nicht versöhnbar.»
Weibels zentrales Thema ist die Medienkunst in allen Facetten: Ein Museum müsse Plattform der Kommunikation und Interaktion sein, sich als Teil der «Infosphäre» verstehen. So wie die Lunge die Antwort der Evolution auf die Atmosphäre gewesen sei, «werden wir Sensoren und Werkzeuge entwickeln, die es uns ermöglichen, in der Infosphäre zu schwimmen wie ein Fisch im Wasser».
Eigene Kinder zu haben, war für Weibel nie wichtig. «Die Idee, in Kindern weiterzuleben, ist dynastisches Denken, ein Blutdenken, und das lehne ich ab. Kultur heißt, als Datensatz weiterleben zu wollen.»
«Ich habe noch große Ausstellungen vor», sagt Weibel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er will die Geschichte der Skulptur neu darstellen, so dass auch die Aufhebung der Materie zu ihrem Recht komme: «Skulptur ist mehr als Volumen und Masse, auch die Luft in Seifenblasen ist Skulptur.» In einer anderen Ausstellung möchte er die Philosophie und Kunst der Komik zeigen. Die letzten beiden Jahre seines bis 2019 laufenden Vertrags will er dafür verwenden, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für das ZKM zu finden und einzuarbeiten.
Peter Weibel redet in halsbrecherischem Tempo, die Sätze sprudeln nur so aus ihm heraus. Jeder Satz ist eine atemlose These, eine kunstphilosophische oder medientheoretische Abhandlung. Er hat Entgrenzung vorgelebt, Enthemmung und Aufhebung von Identitäten. 2004 montierte er einen riesigen Griff mitten auf eine Wiese in Graz und nannte die Arbeit «Der Globus als Koffer». Unter dem Motto «Ich bin die Leinwand» ließ er sich Pornofilme auf den nackten Körper projizieren.
Nein, Weibel wird auch im Alter nicht ruhiger. Aber er sieht jetzt manches anders. «Ich fange an, darüber nachzudenken, wo ich zu weit gegangen bin bei der Auflösung aller Identitäten.» Grenzen könnten auch sinnvoll sein, zur Wahrung der menschlichen Würde. Für eine humane Gesellschaft seien Grenzen der Selbst- und Fremdausbeutung wichtig.
Der Österreicher wurde am 5. März 1944 in Odessa in der Ukraine geboren, er sieht sich als Kosmopolit und als «genetischen Zufall». Seine unglückliche Kindheit habe ihn sehr geprägt, erzählt Weibel: «Ich war ein Schlüsselkind, ich war auf der Straße. Ich musste lernen, alles selber zu machen.» In Heimen und Internaten habe es oft Reibungen und Ärger gegeben.
Dann studierte er in Wien und Paris: Literatur, Philosophie, Mathematik, Medizin. Eine Dissertation über mathematische Logik habe er zwar geschrieben, aber nie eingereicht, weil er noch nicht damit zufrieden gewesen sei.
«Die Arbeit liegt zu Hause herum und wird dann irgendwann im Nachlass erscheinen und wird die Leute verblüffen», sagt Weibel und schmunzelt. «Bei mir ist ein Werk nie fertig. Ich bin berüchtigt dafür, dass ich nie Termine einhalten kann. Ich bin ein idealer Nachlasskünstler.» So gebe es auch fast fertige Gedichtbände, unvollständige Drehbücher und Romane.
Weibel lehrte an Hochschulen in Wien, Kanada, den USA und Australien. 1989 war er erster Direktor des Instituts für Neue Medien (INM) in Frankfurt am Main und prägte die Entwicklung der Computerkunst. Der Turbokünstler ist unermüdlich, rastlos, immer auf Achse, immer ein neues Projekt vor Augen, eine neue Ausstellung im Sinn.
Über ein Dutzend Auszeichnungen nahm er in den vergangenen 25 Jahren entgegen: Unter anderem bekam er den Käthe-Kollwitz-Preis, den Europäischen Kultur-Projektpreis und gleich zweimal den Prix Ars Electronica. Die vorerst letzte Auszeichnung ist der mit 20 000 Euro dotierte Oskar-Kokoschka-Preis für sein künstlerisches Gesamtwerk.
Dazu gehörte auch die vor über 35 Jahren gegründete Band Hotel Morphila Orchester, die zuletzt 2011 auftrat, sich nun aber aufgelöst hat. «Wir haben uns heuer auseinandergelebt», sagt Weibel. «Ich wollte in Richtung Noise (Geräusch) weitergehen, die wollten aber eher in Richtung Melodie. Das ist nicht versöhnbar.»
Weibels zentrales Thema ist die Medienkunst in allen Facetten: Ein Museum müsse Plattform der Kommunikation und Interaktion sein, sich als Teil der «Infosphäre» verstehen. So wie die Lunge die Antwort der Evolution auf die Atmosphäre gewesen sei, «werden wir Sensoren und Werkzeuge entwickeln, die es uns ermöglichen, in der Infosphäre zu schwimmen wie ein Fisch im Wasser».
Eigene Kinder zu haben, war für Weibel nie wichtig. «Die Idee, in Kindern weiterzuleben, ist dynastisches Denken, ein Blutdenken, und das lehne ich ab. Kultur heißt, als Datensatz weiterleben zu wollen.»