Es ist eine verzwickte Lage. Bei der schon längeren Debatte um ein nationales Fotoinstitut kamen nach und nach viele Verwinkelungen und Verästelungen hinzu. Es gab schon viel Unmut wegen der Frage: Düsseldorf oder Essen. Müsste man alle Akteure von Bund, Land, Künstlerszene, Initiativen bis Kommunen und die vielschichtigen Positionen und Interessen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner bringen, dann wäre das wohl: Der Wunsch, der Fotografie und der Fotokunst in Deutschland mehr Strahlkraft zu verleihen. Bei der Ausgestaltung wird es haarig. Es ist bislang noch offen, welches Konzept und welcher Ort sich am Ende durchsetzen werden. Im August könnte etwas Bewegung in die Sache kommen.
Rückblick: Eine von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) einberufene Expertenkommission hatte sich für Essen als künftige Stadt für das Fotoinstitut ausgesprochen. Es folgte eine Machbarkeitsstudie, das von Grütters beauftragte Gutachten empfahl dann auch Essen. Das löste Unmut bei einer Düsseldorfer Initiative aus, die nämlich schon vor der Entscheidung der Expertenkommission einen Vorstoß für ein Deutsches Fotoinstitut (DFI) in Düsseldorf gemacht hatte und der dafür sogar Geld von Stadt, Land und im Bundeshaushalt in Millionenhöhe zugesagt worden waren. Die Verfechter des Düsseldorfer Konzepts pochen darauf, dass die Förderung auch fließen muss.
Statement von Gusky
Der Fotokünstler Andreas Gursky zählt zu jenen, die für den Standort Düsseldorf kämpfen. Er ist in der dortigen Künstlerszene tief verwurzelt. In zentraler Lage solle ein offenes Haus entstehen, in dem Fotografie und die fotografische Kultur in all ihren Formen für die Bürgerinnen und Bürger erfahrbar werde, schrieb der Fotograf in einem Statement, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. "Eine vernetzende Forschungseinrichtung, für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Fotografie." Warum das Projekt von der Kulturstaatsministerin ausgebremst werde, "ist für mich nicht nachvollziehbar", betonte Gursky. Die Machbarkeitsstudie hält er für "einseitig".
In Essen wird es völlig anders gesehen. Der Direktor des Museums Folkwang, Peter Gorschlüter, sagte auf dpa-Anfrage: "Sowohl der Bericht der Expertenkommission als auch die Machbarkeitsstudie haben sich eindeutig für den Standort Essen ausgesprochen, aus inhaltlichen wie logistischen Gründen. An diesen Gutachten führt kein Weg vorbei." Gorschlüter geht davon aus, dass der Bundestag nach der Wahl Beschlüsse für das Bundesinstitut fasst und den Standort Essen bestätigt.
Die Machbarkeitsstudie konkretisierte im März die Empfehlungen der Expertenkommission. Diese hatte 2020 ein Konzept zur Errichtung eines Bundesinstituts für Fotografie vorgelegt. Nachlässe von Fotografen sollen gesammelt werden, es soll Forschung zu Restaurierung und Konservierung geben sowie Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen. Als Argument für Essen führte die Studie auch die räumlichen Möglichkeiten auf dem Gelände der Zeche Zollverein auf.
Düsseldorf kooperiert mit Kölner Stiftung
Am Donnerstag legte die Landeshauptstadt Düsseldorf wiederum in der Standortdebatte nach und gab eine neue Kooperation bekannt: Die Kommune, der Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts in Düsseldorf und die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln hätten sich zusammengeschlossen. Es gehe darum, Gründung und Förderung eines Instituts am Standort Düsseldorf voranzutreiben. Zu der Stiftung gehören das August Sander Archiv sowie das Bernd und Hilla Becher Archiv.
Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) erklärte: "Natürlich sind wir auch zur Zusammenarbeit bereit - aber für uns steht fest, dass auch dafür wesentliche Teile des Düsseldorfer Konzeptes in der Landeshauptstadt umgesetzt werden müssen." Fotograf Gursky wünscht sich mehr Rückendeckung von NRW-Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Armin Laschet. "Von Ministerpräsident Armin Laschet erwarte ich, dass er endlich eine aktive Rolle einnimmt und seiner Zusicherung und mitgefassten Beschlüssen für das DFI in Düsseldorf Taten folgen lässt."
Eine dpa-Anfrage beim Ministerpräsidenten beantwortete eine Sprecherin des Kulturministeriums von Ressortchefin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) so: "Aus Sicht der Landesregierung ist es ein wichtiges Signal, dass das Deutsche Fotoinstitut nach Nordrhein-Westfalen kommen wird." Wichtig sei jetzt, "dass zunächst die wesentlichen inhaltlichen und konzeptionellen Fragen abschließend geklärt werden, bevor der weitere Prozess angegangen werden kann."
Grütters will Akteure im August einladen
Grütters habe vor diesem Hintergrund angekündigt, die verschiedenen Akteure und Ansätze zusammenzubringen und die Ideen der Düsseldorfer Initiative bei der weiteren Planung einzubinden. "Auf diese Weise kann aus Sicht der Landesregierung eine überzeugende und einvernehmliche Lösung für das große Vorhaben gefunden werden." Die Kulturstaatsministerin bekräftigte auf dpa-Anfrage ihre Absicht für das Gespräch und nannte erstmals auch einen Zeitraum: "Dazu plane ich für Mitte August zusammen mit Ministerin Pfeiffer-Poensgen, die beiden Oberbürgermeister aus Essen und Düsseldorf, sowie die maßgeblichen an der Standort-Diskussion beteiligten Persönlichkeiten zu einem Gespräch nach Berlin einzuladen."
Grütters betonte auch, sich dafür einzusetzen, Missverständnisse zwischen Essen und Düsseldorf auszuräumen, damit die Standortfrage nicht die wichtige Fachdebatte in der Sache überlagere. "Obwohl sowohl aufgrund des Berichts der Expertenkommission als auch der Machbarkeitsstudie in erster Linie der Standort Essen in Betracht kommt, so möchte ich doch auch die Stadt Düsseldorf und die Vertreterinnen und Vertreter des Vereins zur Gründung und Förderung eines deutschen Fotoinstituts e.V. weiterhin angemessen in alle Überlegungen einbinden."