Sotheby's kommt! Das Auktionshaus wird ab dem Herbst Versteigerungen von Köln aus durchführen. Nach dem Brexit war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Auktionsgiganten wieder auf dem europäischen Festland etablieren. Schließlich machen die jeweiligen Ex- und Importbestimmungen den grenzüberschreitenden Warenverkehr trotz aller zuvor geäußerten Regierungsbeteuerungen nicht nur teurer, sondern auch komplizierter. Aktuell kann allein der Transport eines Kunstwerks aus verschiedenen Gründen (Kapazitätsengpässe, Gebühren etc.) im Wert von 10.000 Euro rund zehn des Prozent des Werts ausmachen – one way! Bei Millionenwerken im sieben- bis neunstelligen Bereich, die traditionell und wohl auch in Zukunft fast ausschließlich in New York oder London gehandelt werden, scheint der Mehraufwand durch den zu erwartenden Mehrerlös eine zu vernachlässigende Größe zu sein.
Doch für den sogenannten Mittelmarkt bis rund 300.000 Euro bedeutet der Brexit einen riesigen Standortnachteil für den britischen Kunsthandel oder den Kunsthandel mit Großbritannien. Gerade die großen Auktionshäuser sind in Zugzwang geraten. Selbst ohne Großbritanniens Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt sahen sie sich gezwungen, an der Kostenschraube zu drehen. Für das Massengeschäft diesseits der prestige- und umsatzträchtigen Abendauktionen bedeutete das jetzt schon den weitgehenden Verzicht auf gedruckte Kataloge und die Umstellung von physischen auf Online-Auktionen.
Schatz privater Nachlässe
Da liegt es nahe, mit dem mobilen Geschäft dahin zu gehen, wo die Ware ist – aufs Festland. Dort dürfte auch ein Großteil der Käufer sein. Dass nicht Paris – wo Christie's seit vielen Jahren den französischen Auktionshäusern das Leben schwer macht – oder Amsterdam – wo Sotheby's vor einem Jahrzehnt den kurz zuvor übernommenen Altmeister-Händler Noortman abwickeln musste – zum Hauptquartier der Festland-Aktivitäten erkoren wurde, dürfte nicht nur an der schieren Größe des einwohnerstärksten Landes der EU liegen.
Es dürften auch nicht nur die Käufer sein, die Sotheby's interessieren. Als viel wichtiger hat sich für die Versteigerer in der jüngeren Vergangenheit die Versorgung mit Nachschub erwiesen. Da hat Deutschland einiges zu bieten. Schließlich sind hier in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Privatsammlungen entstanden, die irgendwann alle vererbt werden. An diesen Schatz privater Nachlässe wollen alle Auktionatoren gelangen. Was seit den 60er- und 70er-Jahren zusammengetragen wurde, kommt sukzessive auf den Markt. Ein enger Kontakt zu Nachlassern und Nachkommen bedeutet oft einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Mitbewerbern. Noch wichtiger aber dürfte es sein, Verkaufswilligen ein Komplettangebot unterbreiten zu können, damit sich die Familien nach der Rosinenpickerei der Auktionsgiganten nicht mit der kleinteiligen Verteilung der Mittelware belasten müssen.
Auf die deutschen Auktionshäuser kommen damit unerwartet schwere Zeiten zu. Sah es doch zunächst so aus, als würden die Konzerne sich auf die Spitzenware konzentrieren und ihnen die Mittelware überlassen. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass dieser "Mittelmarkt" im sechsstelligen Preisbereich hierzulande bereits die Spitze bildet. Sotheby's hätte also schon sehr kurzsichtig sein müssen, um nicht nur den Umsatz, sondern auch den Zugang zu Ware und Kontakten den Kollegen auf dem Festland zu überlassen. Die können und müssen jetzt mehr denn je auf die mittelständischen Tugenden Kundennähe und Service setzen – und vielleicht auch auf so altmodische Instrumente wie gedruckte Kataloge – um sich gegen die Konzerne zu behaupten.