Wer hätte gedacht, dass Bäume umarmen mal so auf der Höhe der Zeit sein würde? Im abgedunkelten Untergeschoss des Berliner Schinkel Pavillons hängt ein Bild des norwegischen Fotografen Torbjørn Rødland, auf dem ein Arm mit Nietenarmband zärtlich um einen zerfurchten Nadelbaumstamm liegt. Existenzialismus, die Nähe zu Mythologie und Naturgottheiten: Wofür sich die Heavy-Metal-Community lange von den cool kids der Kultur belächeln lassen musste, ist inzwischen zentrale Denkfigur des zeitgenössischen Ausstellungsmachens.
Der industrialisierte Mensch hat dem Planeten sein zerstörerisches Brandzeichen aufgedrückt und so etwas wie Natur nachhaltig abgeschafft. Nun muss er erkennen, dass er nur in Rückbesinnung auf eine Koexistenz mit nicht menschlichen Wesen weiterleben kann – in einer Welt, die technisch hochgerüstet und trotzdem mythenverzaubert ist. In der Ausstellung "Sun Rise / Sun Set", die ab Mittwoch, 19. Mai wieder geöffnet ist, zieht sich die Idee von speziesübergreifender Gemeinschaft vom Surrealismus (inklusive Max Ernsts fantastisch unheimlichem "Sumpfengel" von 1940) bis in die Gegenwart.
Im Jetzt durchsetzt Pamela Rosenkranz einen imposanten Erdhügel mit Calvin-Klein-Parfüm, das Katzenpheromone enthält. Precious Okoyomon lässt in einer moosbewachsenen Steinskulptur Regenwürmer arbeiten, und Pierre Huyghe hält fünf blinde Tiefseefische und einen sehenden Kollegen in einem Aquarium, das abhängig von Wetterdaten abwechselnd durchsichtig oder verdunkelt ist.
Die Wirkung ist ambivalent: Wenn nicht menschliche Organismen in Kunsträume gebracht werden, entsteht ein Bewusstsein von Zusammengehörigkeit. Doch gleichzeitig schaffen diese Werke auch wieder Szenarien von menschlicher Gestaltungsmacht. Wir können es nicht lassen, Natur in unsere Symbolräume einzupassen.