Das von Renzo Piano 1982 erbaute Privatmuseum der Fondation Beyeler liegt in einem wunderschönen Garten, abgeschirmt von einer befahrenen Straße in Riehen, direkt an der Grenze zum deutschen Ort Weil am Rhein, einen Steinwurf vom Vitra Design Museum entfernt. Vom Basler Hauptbahnhof erreicht man die Kunstoase in einer halben Stunde. Nun lässt sich direkt eintauchen in die Idylle: Der renommierte deutsche DJ Steffen "Dixon" Berkhahn und das Kollektiv aus digitalen Kreativen namens Transmoderna haben einen einstündigen, sehr rechenintensiven Stream produziert, der durch die Fondation Beyeler führt, sie zerlegt, ins All schießt, um am Ende wieder an einem Morgen voller Nebel und Tau sicher zu landen. Es ist ein Kunstrave, powered by Beyeler, dem Basler Kulturraum Nordstern und Sponsoren aus dem elektronischen Nachtleben.
Als würde man tatsächlich für eine Party im Freien anreisen, beginnt der Stream ohne Titel im Garten zu verpeilt perlenden Synthieflächen von Oneohtrix Point Never. Bäume, Blätter, Himmel, ah, schau mal, der Weg zur Location. Da vorne ist es! Ein sachter, nur scheinbar verstolperter Beat setzt ein vom Feinmechaniker unter den deutschen Elektronikern, Roman Flügel aus Frankfurt am Main. Vorfreude. Lasst uns reingehen.
Das Bild ist komplett digital, alles nachgebaut. Die Kamera ist nervös, als säßen wir mit einer Überdosis Club Mate am Controller, den wir ja gar nicht haben. Schwupp, wir sind einfach so durch die Glasfront gegangen. Da steht ein Avatar von Dixon, jenem vor dem ganzen Schlamassel so viel gereisten Ost-Berliner DJ, der mit gedrosselten Beats, gedimmten Höhen und viel Sophistication die Meute unmerklich doch in psychedelische House-Euphorien mitnehmen kann.
Die Erotik der Maschinen
Eine Motion Capture Kamera macht es möglich, dass Dixons Avatar täuschend gut tanzt, nur ein bisschen natürlich, wir sind noch am Anfang der Nacht. Es geht nun ein paar Minuten darum, sein Set up aus der Nähe zu zeigen, die vier DJ-CD-Spieler, die Knöpfe des Mischpults aus Ameisenperspektive, die schicken Monitore, Dixons Hose aus Latex. Ein bisschen "Gear Sex" gehört dazu, die Erotik der Maschinen (der Sponsor mag das sicher auch). Jetzt geht es aber los.
Die ersten Bilder an den Wänden sind von Wolfgang Tillmans, ein großes graues aus der "Silver"-Serie. Wir gehen ein Stück weiter, noch mehr Blue Chips: Eine Version von Auguste Rodins Skulptur "Der Denker". Im Raum morphen die ersten Spiegelskulpturen, es fühlt sich allmählich kristallin an, auf der Grenze zum Verflüssigten. Spürst du schon was? Willst du einen Schluck Wasser? Mist, ist ja keiner da. Bisschen trippy.
Im Mix von Dixon höre ich Wolfgang Tillmans, der singt: "He wants to change / but not be seen changing". Es ist ein Stück seines nächsten Albums und das Leitmotiv dieser Arbeit, ganz am Ende kehrt es nochmal zurück. Die Verwandlung unter Tage, he, she, I want to change, aber nicht gesehen werden dabei: Der Club ist ein safe space.
Klee er gießt sich in Gelb, Orange und Ocker
In der Fondation Beyeler übermehmen die Kunstwerke die Aufgabe der Verwandlung. Denn nun kommen die Dinge richtig ins Rauschen. Die Farben fließen, nein kullern in Strömen von den Wänden. Tillmans "Silver" wird sprichwörtlich zu Quecksilber im Raum. Ganz schön heiß hier. Paul Klees "Waldhexen" ergießen sich in Gelb und Orange und Ocker, seiner "Diana" daneben geht nicht anders, nur in dunklem Grün. Das Museum ist auch drinnen ein Garten. Wie in Zeitraffer. Und vermutlich auf Pilzen.
Die Wände bewegen sich, die Architektur beginnt zu tanzen. Es ist ein einziges Werden. Change, Wandel: Das ist befreiend, schön, ein bisschen gefährlich. Und wie jedem Pathos des Wandels wohnt auch dieser Transformationsmesse ein Rest Flexilibilisierungsfeier inne, das ist nicht immer genau zu trennen. Wir müssen halt geschmeidig bleiben.
Doch dann wird es doch noch schroff. Das Museum besteht aus türkisen Linien. Sehr modernistisch, als wäre die Fondation Beyeler in Riehen die Neue Nationalgalerie in Berlin. Dann wird das Haus aufgefaltet, die Decken sind die Wände, oben ist unten. Farben und Formen von den Paul Klee-Bildern flimmern auf den Flächen. Kunst wird Deko, wie so oft im Club.
Nur der "Denker" bleibt stabil
Aber dann ruckelt der Beat, der Sound wird härter. Dunkle Betonteile, die Szenerie wirkt berghainesk. Wir sind in der tiefen Nacht. Da, Dixons Konturen sahen schon schärfer aus, aber er hat noch alles im Griff. Rodins "Denker" hängt in der Luft, es ist das einzige Kunstwerk, das nicht seine Körpergrenzen verliert, nicht sein Innerstes nach außen stülpt und die Eingeweide im Raum verteilt.
Ausgerechnet Rodin bleibt stabil, er, der in die Bildhauerei den fragmentierten Körper eingeführt hat. Er ist der Ahnherr, der Supersignifikant dieser technisch avancierten Entführung. Die Kicks eines härteren Tracks triggern andere Hintergründe: luftleerer Raum, Museum, lu-lu-lu-luftleeer Raum, Museum. Bumm bumm, bu-bu-bu-bumm. Den Denker kümmert es nicht. Er denkt.
Das war heftig, aber ich weiß, dass draußen der Garten wartet. Im Museum ist es schon wieder Tag. Ein bisschen bleibe ich noch, schaue auf den Seerosenteich (die echten Seerosen von Monet sind nicht zu sehen in dieser Arbeit, die gibt es nur im Kohlenstofflife vor Ort). Aber jetzt ist Zeit. Ich muss in diesen wunderschönen Garten. Die Tram nach Basel kann warten.