Handtaschen haben bereits häufig als mobile Leinwand für diverse Künstler und Künstlerinnen gedient. Vor allem das französische Modehaus Louis Vuitton wird nicht müde, die kreative Hautevolee für seine Prêt-à-porter-Produkte einzuspannen: Yayoi Kusama, Takashi Murakami, Richard Prince und Cindy Sherman durften die ikonischen Monogram-Bags schon modifizieren und ließen damit sowohl Presse als auch Umsatz heißlaufen. Für Celine (nicht Céline) durfte André Butzer ran, Raf Simons beauftragte Sterling Ruby. Verkauft sich wie warme Semmeln sowas!
Von Umsätzen im sechs- oder gar noch mehrstelligen Bereich ist Dennis Buck bis dato wohl weit entfernt. Der 1989 geborene Künstler macht neuerdings jedoch auch in Taschen – bloß begnügt er sich nicht damit, seinen künstlerischen Friedrich Wilhelm auf ein fertiges Design zu setzen: Er produziert lieber gleich ganz selbst: "Für mich ist die Handtasche eine Skulptur, die sich wie ein Modeaccessoire verhält. Mir gefällt die Idee, Wege zu gehen, die für Handtaschen üblich sind, für eine Skulptur jedoch nicht. Das macht großen Spaß", sagt Buck. "Die Idee der Handtasche als Skulptur fand ich auch aus PR-Sicht spannend. Die Tasche wird jedes Mal ausgestellt, wenn sie getragen wird – die Arbeit bleibt, obwohl im Privatbesitz, trotzdem auf eine gewisse Art öffentlich. Mich interessiert die Handtasche – vielleicht ein bisschen in der Tradition von Franz Wests Passstücken – als eine Skulptur, die aktiviert wird, sobald man sie trägt."
Und wie sehen sie so aus, jene Buck Bags, die der Künstler nicht nur geschickt via Instagram inszeniert, sondern auch über einem eigenen Onlineshop vertreibt? "Ich finde, meine Taschen sehen lecker und sehr süß aus. Wie so ein amerikanischer Sweetsixteen Birthday Cake", so der Künstler selbst. Erinnert sich wer hier an diese lustigen Sprühluftschlangen aus der Dose? Bitteschön, gern geschehen!
Tatsächlich verwendet Buck für seine Bags Silikon als Basis – bereits in der Vergangenheit hat er mit diesem Werkstoff experimentiert, da gab das Material seinen Malereien einen reliefartigen Charakter. Nun verschwindet die Leinwand als Träger, das Silikon wird in einer Art manuellem 3D-Druck in Form gebracht: "Eigentlich ist es wie mit einem Drucker, nur dass ich eben meine Arme bewege." So ist jedes Stück ein Unikat und kann für Preise zwischen 500 und 700 Euro mit so klangvollen Namen wie "Speedway Venice", "Holyoke Friends" oder "Abner Jones" erworben werden. Jüngst lancierte Buck auch seine "The Minies"-Kollektion, die dem aktuellen Modetrend zu Mini- oder Micro-Bags gekonnt Tribut zollt.
Vom Meisterschüler zum Modedesigner
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Buck, der eigentlich Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe studiert hat, um dann als Meisterschüler an die Berliner Universität der Künste zu gehen, in professioneller Mission mit Mode in Berührung kommt. "Tatsächlich habe ich immer mal wieder mit Kleidungstücken gearbeitet. 2017 habe ich einen steifen Wollpullover in der ersten 'Dorf'-Ausstellung in Wullenstetten gezeigt. Im Januar 2019 habe ich gemeinsam mit einer befreundeten Künstlerin unter einem Pseudonym die erste Silikontasche in einer Gruppenausstellung in Lissabon präsentiert und im Oktober 2019 eine T-Shirt-Edition mit der Unterstützung von Nike herausgebracht. Meine Einzelausstellung 'Fancy Pants' bei der Shore Gallery in Wien in 2020 war im Prinzip meine erste Fashion Show. In einem Raum wurden Vinyl- und Silikon-Arbeiten gezeigt, die Schnittmuster verschiedener Kleidungsstücke abbildeten. Im zweiten Raum gab es die zu den Schnittmustern passenden Textilarbeiten – aus Wolle und Seide, mit Flock bedruckt. Mit den Informationen der Schnittmuster und den Textilproben konnten Besucher*innen sich ihre Kollektion dann selbst zusammendenken."
Nun lanciert man ja nicht von heute auf morgen eine eigene Taschenkollektion, selbst dann nicht, wenn man zum Beispiel in der Vergangenheit bereits seine Mobilfunknummer als Teil eines Kunstprojektes öffentlich gemacht hat. "Ich habe die Taschen erstmal eine Zeit lang einfach nur selbst getragen. Und ab und an mal eine Story auf Instagram gepostet. Daraufhin bekam ich eine Anfrage von Neven Allgeier, der meine Taschen gerne shooten wollte", erinnert Buck sich.
Der in Frankfurt und Berlin lebende und arbeitende Fotograf ist für seine sehr "dreamy" anmutenden Porträts von Musikerinnen und Musikern für Magazine wie "Das Wetter" bekannt und hat bereits in der Vergangenheit Fashion-Editorials geshootet. Seine Interpretation der Buck Bags, als Must-have-Fashion-Accessoires für die Sonnenuntergangspritzstour im schnellen Schlitten, scheint sich eher an eine mode- denn an eine kunstaffine Kundschaft zu richten – und gerät dabei selbst zur Kunst.
Auch Henrik Alm, der Modestrecken für Lifestyle-Formate wie das "Intersection Magazine" oder "Highsnobiety" produziert, nahm die Buck Bags bereits vor die Linse. "Bei all meinen Produktionen stehe ich in engen Kontakt mit Venus Nemitz, die Art Direction bei den Shootings macht. Wir arbeiten mit Lookbooks, die Models kommen vor dem Shoot zur Anprobe, wir haben dann eine klare Idee, was am Schluss dabei rauskommen soll." Was nach viel Fun aussieht, wird also schon mit ordentlicher Ernsthaftigkeit betrieben. "Ich habe nichts gegen Geld verdienen", räumt Buck offen ein.
Damit der Spaß dennoch nicht auf der Strecke bleibt, nimmt Buck sich heraus, seinen ganz eigenen Humor auch in den Webshop einfließen zu lassen. Die Produktbeschreibungen dort schreien schon sehr laut "Kunst", dennoch sind alle Taschen sind mit der Info versehen, dass sie "spülmaschinentauglich" seien. Soweit, so praktisch – nur: Wer will denn seinen Kunstkauf spülen? Buck ist ganz klar Fürsprecher der maschinellen Reinigung: "Nach dem ersten Shooting mit Neven hatte ich einen Berg schmutziger Taschen vor mir liegen. Und es wäre sehr mühsam gewesen, Tasche für Tasche zu putzen. So kam ich auf den Geschirrspüler. Es ist die schnellste und einfachste Art, die Silikontaschen zu reinigen. Das ist ein ernst gemeinter Tipp." Notiert!
Von den hervorragenden Pflegeeigenschaften des Materials könnte demnächst auch ein anderes Kleidungsstück profitieren: "Ich würde sehr gerne Silikon-Schuhe designen. Dazu gibt es auch schon Samples." Erste Entwürfe für eine komplette Kollektion hat Buck schon in der digitalen Schublade – und ansonsten auch noch einiges am Laufen: "Im Frühling kommt eine Kollaboration mit dem Musiklabel Live From Earth raus. Wir arbeiten an einer neuen Handtasche, sowie an einem T-Shirt, das mit einem eigens entwickelten Silikondruckverfahren bedruckt wird. Mit acteTM arbeite ich an einem Projekt, ebenso wie an einer Edition für Kubaparis. Wenn man wieder Veranstaltungen ausrichten kann, wird es auch einen offiziellen Launch bei BAM Berlin geben." Dennis Buck schickt sich also an, alle in locker die Taschen zu stecken.