„The World is Yours“ – das müssen sich die 30.000 Teilnehmer auch gedacht haben, bevor sie die Reise nach Kopenhagen antraten, um sich im Bella Center, dem größten Konferenzzentrum Skandinaviens, zum ultimativen Weltklimagipfel zu treffen. Die Entscheidungsschlacht um ein verbindliches Abkommen zur massiven Begrenzung der weltweiten Treibhausgasemissionen war in den letzten Monaten ins Stocken geraten. Die Verhandlungskarawane über Bonn, Barcelona oder Bangkok hatte trotz im Wochentakt veröffentlichter Studien über die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels eher Rück- als Fortschritte gemacht. Klimakriege ante portas? Eine entsprechende Nervosität liegt jedenfalls über der Stadt.
Anders im idyllischen Humlebæk, nur 40 Kilometer von Kopenhagen entfernt. Dort trafen sich parallel zum Showdown der Klimakrieger künstlerische Verhandler im Louisiana Museum für zeitgenössische Kunst. Das Symposium „Where do we go from here“ im Rahmen der Gruppenausstellung „The World is Yours“ strahlte ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein ästhetischer Handlungsspielräume von Design, Architektur und Technologie aus. Eine Konferenzschaltung der Symposiumsteilnehmer mit den Verhandlungsdelegationen in der dänischen Hauptstadt hätte der Stimmung dort sicher gut getan.
Die Umweltunternehmerin Kresse Wesling fertigt aus Abfall Handtaschen und vergisst nicht, einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf des hochpreisigen Produktes für wohltätige Zwecke zu spenden. BMW, Mitinitiator des Symposiums, stellte den Aufbruch in ein nachhaltiges Mobilitätszeitalter in Aussicht – eine Ankündigung, auf die die Klimapolitik seit beinah zwei Jahrzehnten fast sehnsuchtsvoll wartet.
Der Ingenieur Matthias Schuler schließlich entwarft die Umrisse der im Aufbau befindlichen Ökostadt Masdar City im Emirat Abu Dhabi – eindrucksvoll illustriert durch die zeitgleich im Louisiana Museum präsentierte Ausstellung zu grüner Architektur, die das klimapolitische Potential von Design unterstreicht. In der ganzen Euphorie geht unter, dass Masdar City auch Standort der 2009 begründeten Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, kurz IRENA, sein wird. Diese wird mittlerweile von über 130 Regierungen unterstützt. Design und Politik endlich vereint, ausgerechnet im Erdöl-Eldorado.
Sonnige Aussichten könnte man meinen. Zumal Peter Sloterdijk, als Stargast und Hauptredner des Symposiums, geradezu ein Loblied auf die reformatorische Kraft der Klimawissenschaften sang. Es sind – stellvertretend für diese Zunft – die Meteorologen, denen es zu danken sei, dass das trudelnde Raumschiff Erde überhaupt noch eine Chance habe, auf einen klimaverträglichen Kurs zurückzukehren. Die Ignoranz gegenüber den Grenzen unseres unverträglichen Lebensstils sei im Schwinden begriffen – Balsam auf den Wunden der Studienschreiber.
Hinter so viel prognostischer Macht mag die Kunst nicht zurückstehen, wie „The World is Yours“ eindrücklich zeigt. Um die abstrakte Klimakatastrophe fassbar zu machen, werden keine Kosten und Ressourcen gescheut. Die künstlerische spiegelt hier die politische Herangehensweise: Während in den letzten Jahren globale Entscheidungsträger von Merkel bis Ban Ki-Moon nicht zögerten, das nahende Klima-Unheil durch die eigene Anwesenheit in Grönland für die globale Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen, erfolgt die künstlerische Vergegenständlichung der Klimakatastrophe mittels massiven Ressourceneinsatzes. Das dänische Künstlerkombinat Superflex zieht den Betrachter in eine sich nach und nach von 80.000 Litern Wasser überflutenden McDonald’s-Filiale – wohlgemerkt eine Nachbildung. Ein Vorgeschmack für die Bewohner des vom Untergang bedrohten kleinen Inselstaates Tuvalu?
Da verlangt Olafur Eliasson den Besuchern doch einiges mehr ab. Der dänische Künstler isländischer Herkunft führt zur Betrachtung seines in Zusammenarbeit mit BMW entstandenen Werkes „Your mobile expectations: BMW H2R“ in eine Kältekammer. Unter einem Eispanzer ist das Fahrzeug kaum noch zu erahnen. Travelling without moving? Rasender Stillstand! Besser sind die ausbleibenden Fortschritte bei der Bearbeitung des Klimaproblems kaum dazustellen. Folgerichtig sieht Eliasson als Teilnehmer am Symposium auch die Kunst fest in der Gesellschaft verankert.
In eisiger Kälte warten zu Beginn der zweiten Verhandlungswoche unzählige Teilnehmer einen Tag vor dem Bella Center vergeblich auf Zugang – das elektronische Akkreditierungssystem sei zusammengebrochen, heißt es. Ein Königreich für eines der mehr als tausend Mikrofone, die Shilpa Gupta als Teil von „The World is Yours“ zu einer singenden Wolke zusammengeführt hat. Der aus der Wolke tretende Soundtrack aus Alltagsgeräuschen verweigert sich dem Konsens, und die anwesende indische Künstlerin sieht gerade in den in den unterschiedlichen Wahrnehmungen der Betrachtern eine produktive Kraft für Veränderung.
Hieran knüpft Sloterdijk an, wenn er das Symposium mit der Prognose schließt, dass sich die Weltgemeinschaft kaum auf einen ökologischen Puritanismus wird einigen können. Stattdessen verlässt er sich auf sein Konzept des Homo technologicus. Die Technologie-Entwicklung stehe noch am Anfang, hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sagt es und spielt den Ball zurück an den Klimagipfel im Bella Center, um die notwendigen Weichen für ein umfassendes Atmosphärenregime zu stellen.