Man soll sich seine Laune durch diese Ausstellung nicht verderben lassen, meinte ein Kritiker von "Time Out London". Aber ehrlich, in dieser Zeit voller Lockdowns und strenger Isolationsbestimmungen kann einen eigentlich jegliche Kunst eher trösten als verstören. Und so verhält es sich auch bei dieser Konfrontation von Tracey Emins verzweifelten Selbstdarstellungen mit Edvard Munchs Chroniken weiblicher Emotionalität, die Ende des Jahres für einen kurzen, kostbaren Moment zwischen den Lockdowns in London für das Publikum zugänglich waren.
Die britische Künstlerin und der norwegische Spätromantiker (1863–1944) sind in einem Abstand von genau 100 Jahren geboren, aber ihre Seelen, so der Tenor der Ausstellung in der Royal Academy of Arts in London, sind durch die gleichen Höllen gegangen. Der Titel "The Loneliness of the Soul" spielt eben darauf an. Die Ausstellung kombiniert figurative Malerei, Aquarelle und Gouachen beider Künstler und zeigt in direkter Gegenüberstellung: Der Gestus und die expressive Malweise sind vergleichbar und deren Themen genauso.
Verheerende Zustände von Einsamkeit
Tracey Emin, in den 1990erJahren gefeierte Exponentin der "Young British Artists", hat sich von der Konzeptkunst zur Malerei gewandt und diese von Grund auf gelernt. Sie zeigt einen Frauenkörper, der sich in Auflösung zu befinden scheint, nackt, einsam, von Schmerz verzehrt; schwer und ermüdet, das Gesicht meist verdeckt. Tropfende Farbe fließt vom Körper wie Blut. Die Palette ist mit Rot in allen Abstufungen, tiefem Schwarz und Blau in den Konturen entsprechend emotionsgeladen. Mit Bildtiteln wie "Devoured by You" macht die Künstlerin kein Geheimnis daraus, dass es die eigenen verheerenden Zustände von Einsamkeit, Liebesverlust, Schmerz und Isolation sind, die sie so eindrücklich festgehalten hat. Auf der anderen Seite Edvard Munch: Sein Blick auf den Frauenkörper ist der des Beobachters, der die ausgedrückten Gefühle von Trauer und psychischer Einsamkeit in sprechenden Körperstellungen zeigt.
Zu Stein gefroren scheint eine junge Frau im Bild "Tod des Marat". Sie steht reglos neben einem Bett, auf dem ein Mann liegt – tot, seine Hand fällt rot vom Blut der aufgeschnittenen Pulsadern Richtung Boden. Der Blick der Frau führt frontal aus dem Bild heraus; innerlich entfernt und emotionslos, hat sie aufgehört, an diese Liebe zu glauben, lange bevor sie zu Ende ging. Auch bei Munch ist Rot die Farbe der starken Emotion. Die Farbe und wenige Pinselstriche genügen, um ein psychisches Desaster von unermesslicher Tragweite darzustellen.
Verletzlich und einfühlsam
Es war Emins Impuls, Munchs Werke mit ihren eigenen zusammenzubringen, und sie war es auch, die aus Hunderten von Arbeiten diese Auswahl für die Royal Academy getroffen hat. Emin hat sich auf die Frauenbildnisse mit den Aspekten von Verletzlichkeit und Isolation konzentriert und andere zentrale Themen bewusst ausgelassen.
In einem Interview für das Begleitheft zur Ausstellung erklärte sie, warum sie sich für jene entschieden hat: "Sein Zugang zum Sujet ist sehr einfühlsam, nicht gewalttätig. Er konnte die Situation verstehen, während ich meine Situation nicht akzeptiere. Ich bin zornig und kämpfe noch immer damit, und es ist der Malprozess, der mir hilft, sie zu bewältigen und zu verstehen." Die Ausstellung ist durch die Konzentration auf dieses eine Thema vielleicht zu eindimensional, aber sie ist eine aufrührende Hommage einer Künstlerin auf einen Seelenverwandten.