Franziska Hauser, die als Schriftstellerin und Fotografin arbeitet, geht es wie so vielen freischaffenden Künstler*innen und Kreativen derzeit: Die Auftragslage ist pandemiebedingt ausgedünnt und kann den Lebensunterhalt kaum decken. Als im Frühling 2020 alle Lesungen zu ihrem neuem Roman abgesagt oder verschoben wurden, kam Hauser mithilfe der Berliner Soforthilfe noch halbwegs zurecht. Im Herbst konnten dann auch die Nachholtermine nicht stattfinden, das Geld wurde knapp, daraufhin intensivierte Hauser ihren Nebenjob. Die Schriftstellerin gibt freiberuflich für eine Sprachschule Unterricht als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache (DaF).
Als sie dann die Künstlersozialkasse (KSK), bei der sie versichert ist, bat ihre Beitragshöhe anzupassen, gab sie – "blöderweise", wie sie sagt – an, zusätzlich zu den monatlich 1000 Euro aus künstlerischer Arbeit, 600 Euro als DaF-Lehrerin zu verdienen. Das Problem: Die KSK erlaubt Einkünfte aus nichtkünstlerischer selbstständiger Arbeit nur bis zur sogenannten Geringfügigkeitsgrenze, also bis 450 Euro monatlich.
Ihr sei zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, gegen die Vorgaben der Künstlersozialversicherung zu verstoßen, sagt Hauser im Gespräch via Zoom. Klar, wer liest auch schon das Kleingedruckte. Kurze Zeit später jedenfalls, ein paar Tage vor den Feiertagen war das, erhielt sie als Antwort einen Brief von der KSK, in dem diese ankündigte, ihre Versicherung aufzuheben. Anfang Januar folgte die Kündigung rückwirkend zum 1. Januar.
Hauser glaubt nicht, dass sie ein Einzelfall ist. Die Regularien der KSK zielten an der Situation der Künstler*innen vorbei, findet sie: "Eigentlich muss ich die Realität verbiegen, so dass sie in die Formulare und Tabellen passt." Und eigentlich sei sie sogar stolz gewesen, eben nicht Arbeitslosengeld II beantragen zu müssen – was ihr die KSK telefonisch tatsächlich nahegelegt habe.
Kulanz in der Krise?
Auf dem Papier ist die KSK im Recht. Man kann die Vorgaben für nichtkünstlerische selbstständige Nebentätigkeiten auf ihrer Website nachlesen, aber: Wäre nicht jetzt der Zeitpunkt auch über die KSK, Künstler*innen, die sich aufgrund der Einschränkungen in der Pandemie in einer Notlage befinden, möglichst unbürokratisch zu unterstützen, Regeln großzügiger auszulegen oder noch besser an die Realität anzupassen? Oder zumindest erst zu verwarnen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird und Betroffene plötzlich ohne Versicherung dastehen?
Auf Nachfrage, ob es nicht in der aktuellen Krisenlage möglich sei, in solchen Fällen kulanter zu reagieren, beruft sich die KSK auf das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Die Künstlersozialkasse sei verpflichtet dieses "in seinen gesetzlichen Bestimmungen auch während der Corona-Pandemie gesetzeskonform umzusetzen." Was eben auch bedeute, bei einer nichtkünstlerischen freien Nebentätigkeit, die regelmäßig die Hinzuverdienstgrenze überschreite, die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung festzustellen.
Ganz im Regen stehen lassen möchte die KSK ihre Versicherten in der Coronakrise jedoch nicht und hat auf ihrer Website ein paar Maßnahmen aufgeführt. So können sie beantragen, Beiträge zu stunden oder in Raten zu bezahlen – was letztlich das Problem allerdings nur aufschiebt. Dazu gibt es wie auch zu anderen Zeiten die Option, jederzeit das voraussichtliche Jahresarbeitseinkommen herabzusetzen oder zu erhöhen, um die Beitragshöhe ihrer aktuellen finanziellen Situation anzupassen. Von dieser Möglichkeit, so schreibt die KSK in ihrer Email, sei seit dem 12. März 2020 mehr als 65.000 Mal Gebrauch gemacht worden. Wovon diejenigen, die das getan haben, nun lebten, steht da freilich nicht.
Franziska Hauser muss auch wieder neu rechnen. So oder so. Inzwischen versucht sie mit Unterstützung eines Beraters wieder in die KSK aufgenommen zu werden – und mit dem Versprechen, zukünftig nicht mehr als 450 Euro pro Monat dazuzuverdienen.