Vor uns liegt ein aufregendes neues Jahr: Wir können den Lockdown irgendwann hinter uns lassen und frisch geimpft wieder aktiv werden. Neu werden. Wir können von vorn anfangen, im neuen Normal. Wir könnten etwa kein Fleisch mehr essen. Wenn jetzt die gemeinnützige Organisation Veganuary mit dem Lebensmittelproduzenten LikeMeat eine Kampagne für den lustvollen fleischfreien Januar startet, klingt das also erstmal nach einer guten Idee. Doch die Umsetzung irritiert.
In einem Clip sehen wir den Rammstein-Sänger Till Lindemann, wie er genüsslich einen Pflanzen-Burger verspeist – und damit ein Video von 1982 zitiert: "Andy Warhol eating a Hamburger". Das Werk ist Teil der Serie "66 Scenes from America" von Jørgen Leth und soll die Faszination des Pop-Art-Künstlers Warhol für die amerikanische Konsumkultur ausdrücken, wo jeder Mensch, ob arm oder reich, die gleichen Produkte konsumieren könne. Berühmt geworden ist Warhols Satz von der perfekten Cola, die auch mit Geld und Besitz nicht besser schmeckt: "A Coke is a Coke and no amount of money can get you a better Coke than the one the bum on the corner is drinking." Burger King und Coca-Cola schlachteten die Arbeit begeistert aus.
Warhol war in dem Video ein Jedermann, ein absoluter Durchschnittsamerikaner, und dieses Motiv ist auch zentral für den Werbeclip mit Till Lindemann: Jedermann kann sich mit LikeMeat vegan und umweltbewusst ernähren. Lindemann sei ein bekennender Fleischliebhaber, heißt es süffisant in einer Pressemitteilung zum Video. Und: "Wir glauben daran, dass man liebgewonnene Traditionen mit einem modernen Lifestyle verbinden und somit das Beste von beidem genießen kann." Gegrilltes totes Tier wäre dabei wohl die "liebgewonnene Tradition" und der "moderne Lifestyle" eine umweltbewusste Ernährung.
Doch wenn Lindemann, der mit Rammstein und in seinen Gedichten eine brachiales Männlichkeitsideal inszeniert, wiederum den queeren Warhol spielt, sich also erst eine Perücke überziehen und zum Zitat werden muss, dann schwingt dabei auch ein Unterton mit: Es ist irgendwie dann doch nicht the real thing.