Krõõt Juurak und Alex Bailey, als Künstler-Duo führen Sie Performances speziell für Haustiere auf. Kann eigentlich jeder Katzen- oder Hundebesitzer bei Ihnen anfragen?
Ja, jeder.
Für die Vorbereitung Ihrer aktuellen Ausstellung haben Sie Haustiere in und um Rüsselsheim besucht. Gab es irgendwelche besonderen Situationen, lassen sich vielleicht sogar regionale Unterschiede ausmachen? Oder verhalten sich Haustiere universell ähnlich?
Generell ist unser Tierpublikum viel internationaler als seine Menschen. Dennoch gibt es einige regionale Unterschiede, hauptsächlich durch Trainings- und Bildungsmethoden, die wiederum mit Vorlieben zum Beispiel von Tierheimtieren oder auch mit der Tieraufzucht verknüpft sind. Die Unterschiede sind also durch die unterschiedlichen Menschen und weniger durch die Haustiere selbst zu erklären. Alle Tiere, die wir in und um Rüsselsheim kennengelernt haben, waren sehr besonders.
Die Ausstellung in den Opelvillen heißt “Kunst für Tiere“. Was können wir sehen, wenn wir Tieren zuschauen, die Kunst betrachten? Und macht es irgendeinen Unterschied für die Hunde und Katzen, ob sie mit Herrchen und Frauchen spielen oder einer Ihrer Performances beiwohnen?
Unser "Spiel" für die Katzen und Hunde ist vielleicht ein bisschen verwirrender für sie als das, was man als "normales" Spiel bezeichnen würde. Wir sagen gern, dass wir den Haustieren ein Spiel präsentieren, dessen Regeln mehrdeutig sind. Und was uns selbst in den Sinn kommt, wenn wir Tiere anschauen, die Kunst betrachten, ist die Frage wie wir überhaupt wissen was Kunst ist und wann und warum. Wir betrachten es so: da zeitgenössische Kunst per Definition eben zeitgenössisch ist, ist sie noch undefiniert, also könnten wir genauso gut unsere Katzen und Hunde definieren lassen, was Kunst ist und was nicht.
Das hat eine bestechende Logik! Trainieren Sie eigentlich für Ihre Performances?
Ja, das tun wir. Jede Performance ist natürlich auch ein Training, und wir haben bisher über 300 Mal für Haustiere performt. Für gewöhnlich bitten wir den Besitzer des Tieres, die Performance zu dokumentieren. So können wir nachher noch einmal durchgehen und nachvollziehen, was da genau passiert ist, manchmal Frame für Frame. Es gibt sehr viel Körpersprache, die da innerhalb der Spezies geteilt wird, die wir als Menschen auch einfach lernen können. Wir hatten dabei großartige Hilfe von unseren "Dramaturgen", der Hundeverhaltenstherapeutin Bina Lunzer und dem Katzencoach Petra Ott aus Wien.
Immerhin landet Ihre Kunst schließlich doch in Galerien oder Museen, wo sie von Menschen präsentiert und betrachtet wird. Man könnte das Ganze ja auch für einen etwas ironischen Beitrag zur Debatte halten…
Wir wissen, es ist schwer zu verstehen, dass etwas nicht für Menschen gemacht ist, aber diese Performances sind wirklich für Tiere. Aber wir haben durch verschiedene Erlebnisse verstanden, dass ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit doch auch Menschen betrifft – nicht in einem künstlerischen Sinne, sondern eher pädagogisch: Wir möchten sie dazu bringen, aktiv die Position eines passiven Begleiters für ihr Tier einzunehmen. Ihre gewöhnliche Beziehung für die Dauer der Aufführung umzukehren. In dem Sinne ist diese Performance also doch auch für Menschen gedacht – damit sich jene selbst darin üben, dass diese Arbeit nicht für sie, sondern für ihr Haustier ist.
Performen Sie auch für Wildtiere oder andere Haustiere als Katzen und Hunde?
Wir performen größtenteils für Katzen und Hunde, aber wir hatten auch einige Gelegenheiten, Kaninchen kennenzulernen und für sie zu performen. Eine der Voraussetzungen für unsere Performance ist, dass die betreffenden Tiere denselben Wohnraum mit Menschen teilen, und deshalb performen wir nicht für Tiere, die in Käfigen leben. Unsere Arbeit bleibt zu obskur für sie, als dass man irgendeine Kommunikation aufbauen könnte. Aber wir haben ein eigenes Projekt mit Nagetieren. Es heißt "Workshops by Pets", und darin laden wir Ratten, Mäuse, Hamster, Meerschweinchen und Wüstenrennmäuse ein, Workshops gemeinsam mit ihren Besitzern zu geben. Im Grazer Kunstverein und auf dem Manchester International Festival haben wir mit jungen Leuten, die ihre Haustiere mitgebracht haben, gemeinsam spezifische Workshops entwickelt, die durch jene Haustiere gelehrt wurden.
Was haben die Tiere denn so vermittelt?
Zum Beispiel haben wir von ihnen gelernt, wie man am besten in einem Haufen von fünf Ratten schlafen kann, oder Hamster haben uns beigebracht, wie man Gemüse isst. Außerdem gab es eine sehr alte Rennmaus, die uns abstraktes Wissen überlieferte, einfach indem sie uns anschaute.
Sie betonen immer wieder, dass Ihre Kunst ein Dienst an den Tieren sein soll. Teilen Sie den Eindruck, dass bei Haustieren, im Gegensatz zu Zirkus- oder auch Zootieren, die eigenen weltanschaulichen Widersprüche schnell vergessen werden? Selbst Tierrechtsaktivisten oder zum Beispiel die frühere Documenta-Direktorin Carolyn Christov-Bakargiev, die weitreichende Autonomien für Tieren und auch Pflanzen diskutierte, scheinen kein Problem damit zu haben: eine anthropozentrische Perspektive zu kritisieren, aber selbst Haustiere (in diesem Fall einen kleinen Hund) zu halten.
Wir erinnern uns noch gut an eine Filmvorführung auf der Documenta, die vom Bellen jenes spezifischen Hundes akzentuiert wurde, den Sie gerade erwähnt haben. Aber es ist wirklich merkwürdig. Möglicherweise hat es damit zu tun, dass Zoo- und Zirkustiere zu groß und gefährlich sind, um sie mit nach Hause zu nehmen oder in eine Tasche zu stopfen und mit ihnen im Flugzeug zu reisen. Ist es, weil Haustiere sich so gut assimiliert haben und genau das geworden sind, was wir brauchen? Ihre Fähigkeit, sich selbst zu "performen", ist jedenfalls etwas, von dem wir menschlichen Performer und auch andere Künstler und immateriellen Arbeiter eine Menge lernen können. Wir selbst sind unentschlossen, was wir von der Idee des Haustieres halten sollen. Sicherlich reflektiert es nicht nur menschliche Freundlichkeit und Kameradschaft, mit einem zusammen zu leben, sondern auch unsere koloniale Geschichte. Wir sind uns der Ambiguität, Arbeiten für Haustiere zu machen, bewusst, und gleichzeitig wird es uns auch nicht weiterbringen, wegzuschauen. Wir hoffen einfach, dass selbst wenn wir nur einen kleinen Unterschied machen können, dieser Unterschied immer noch zu einer Verwandlung in der Beziehung zwischen Menschen und anderen Tieren beitragen wird.