Konstanze Meyer, wann waren Sie das letzte Mal richtig tanzen?
Das weiß ich gar nicht genau, es ist viel zu lange her. Anfang des Jahres wahrscheinlich.
Wegen der Corona-Pandemie sind kollektiv schwitzende Körper auf Tanzflächen gerade verboten. Keiner weiß, wann Clubs wieder ihren normalen Betrieb aufnehmen. Ist das überhaupt ein guter Zeitpunkt, um über Clubkultur zu sprechen?
Es ist sogar ein sehr guter Zeitpunkt, weil wir gerade alle merken, was uns fehlt. Es wird der Wert von Clubs sichtbar – ideell und auch ökonomisch. In Berlin ist die Clubkultur ein relevanter Anziehungsfaktor für viele Menschen aus der ganzen Welt. Und es fehlt natürlich das Sich-Fallen-Lassen, das Eintauchen in die Musik und die Erfahrung von Vielfalt. Insofern bietet es sich geradezu an, jetzt darüber zu sprechen, wie die Zukunft von Clubs aussehen kann und welche Aufgaben diese annehmen wollen.
Mit der Initiative Clubtopia setzen Sie sich für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Nachtleben ein. Was ist bisher so schädlich am Tanzengehen?
Es sind mehrere Aspekte. Einerseits haben Clubs einen sehr hohen Energiebedarf, der durch Veranstaltungstechnik, Transporte und die Anreise von Künstlerinnen und Gästen entsteht. Dabei wird viel CO2 emittiert. Zum anderen entsteht viel Abfall, sei es im Club durch umweltunfreundliche Getränkeverpackungen oder auch im Außenbereich, wenn Gäste ihren Müll einfach irgendwo hinwerfen. Das ist das Unökologische am Nachtleben. Und das kommt erst langsam an.
Dann sind die Maßnahmen dieselben wie anderswo: Energie sparen und Müll vermeiden?
So ungefähr. Für uns ist es immer am wichtigsten, dass Clubs zu einem echten Ökostrom-Anbieter wechseln. Das ist total banal, aber der größte Hebel für CO2-Einsparung. Und es wird noch nicht oft genug gemacht. Sonst sind die Ansätze tatsächlichen die üblichen: Weniger ist mehr. Wie viel Veranstaltungstechnik brauchen wir wirklich, wie viel Licht und welches? Vieles ist wirklich kein Hexenwerk, müsste aber noch umgesetzt werden. Wir stellen fest, dass Menschen oft große Hürden sehen, bevor sie etwas verändern. Es geht aber einfach ums Machen.
Gibt es auch Ideen, die Spaß machen?
Klar gibt es auch spielerische Ansätze, wie den "Sustainable Dancefloor", auf dem beim Tanzen Bewegungsenergie in Strom umgewandelt wird. Man kann die Leute auch mal zum Spaß auf ein Fahrrad setzen, um Energiegewinnung zu visualisieren und die Gäste mit einzubinden. Das ist aber nicht der allereffizienteste Ansatz, da bringt ein Solarpanel auf dem Dach mehr. Es gibt auch die Idee der "Seed Bomb Open Airs", da pflanzen die Leute während der Parties Blumen.
Das Nachtleben ist auch ein Entkommen aus dem Alltag. Haben die Leute bei allem Eskapismus noch Lust, an Umweltschutz zu denken?
Die besten Maßnahmen sind eigentlich die, die man gar nicht unbedingt bemerkt, und die das Cluberlebnis nicht beeinträchtigen. Trotzdem gibt es da scheinbar einen Widerspruch. Wir wollen den Tag vergessen und unsere Nachtpersönlichkeit ausleben. Interessanterweise haben wir bei Befragungen aber herausgefunden, dass die meisten Leute Nachhaltigkeit als Wert anerkennen und versuchen, sich im täglichen Leben daran zu orientieren, sei es bei der Mobilität, Ökostrom oder der Mülltrennung. Diese Werte, die dem zugrunde liegen, wirft man nachts ja nicht über Bord, auch wenn man sich vielleicht nicht aktiv damit auseinandersetzt. Wenn man es den Clubgästen einfach macht, dann kann man sich dem Erlebnis hingeben und trotzdem zu Nachhaltigkeit beitragen. Ein kleinbisschen Vernunft gepaart mit der Leidenschaft.
Wie ist das dann mit Drogen? So etwas wie nachhaltiges Koks gibt es nicht.
Ja, das ist ein ganz zentrales Thema, dem wir uns nähern, aber für das wir noch keine Lösung präsentieren können. Fakt ist, dass Drogenkonsum wirklich extrem unnachhaltig ist. Gerade Kokain ist auf allen Ebenen furchtbar, bei der Herstellung, beim Transport und natürlich wegen der sozialen Situation, die durch den Handel entsteht. Wir positionieren uns weder für noch gegen eine Legalisierung von Drogen, aber viele der negativen Umweltauswirkungen resultieren daraus, dass Drogen illegal sind. Das ist keine Wertung, sondern eine Feststellung.
Haben Sie ein Beispiel?
Wenn Cannabis illegal angebaut werden muss, dann geschieht das in Kellern und nicht draußen. Das heißt, es braucht Lichtanlagen, Kühlung, Luftbefeuchter und –entfeuchter und so weiter. So wird jede Menge Energie benötigt. Dürfte man das draußen machen, wäre es objektiv gesehen umweltfreundlicher. Wir merken, dass das Thema viele Menschen beschäftigt und wollen weiter daran arbeiten. Der Drogenkonsum ist aber sehr intransparent, weil er eben illegal ist. Man kann nicht so leicht nachverfolgen, wo das Zeug herkommt, und viele wollen es auch gar nicht wissen. Da werden oft die Augen vor verschlossen. Es ist schwierig für uns, da eine Empfehlung auszusprechen, weil es eben Fragen der Gesetzgebung sind.
Gibt es den idealen Club eigentlich schon irgendwo?
Das Ideal könnte ich nicht auf Anhieb nennen, aber es gibt viele, die sich sehr bemühen und immer weiter dranbleiben. Das SO36 in Berlin ist zum Beispiel ein solcher Vorreiter. Auch das Schwuz (der erste alternative Schwulenclub Westberlins, heute in Neukölln, Anm. d. Red.) ist sehr weit, weil dort sowieso auf sozialer Ebene viel geleistet wird. Da gehört Umweltschutz auch dazu.
Wird die Clubkultur Corona überleben?
Wir können nicht sagen, wie viele Clubs es schaffen werden und wie viel von der Vielfalt erhalten bleibt. Da kann man nur spekulieren. Es ist nunmal so, dass Clubs keine klassischen Wirtschaftsunternehmen sind, die Rücklagen bilden können. Entsprechend klein sind die Spielräume. Unser Plädoyer ist natürlich, die Clubs auch von staatlicher Seite so gut es geht zu unterstützen, weil sie einen großen und wichtigen Teil zum kulturellen Leben beitragen. Wir wollen auf keinen Fall, dass Clubs weniger CO2 ausstoßen, weil es sie nicht mehr gibt.