Am liebsten zeigt der US-amerikanische Künstler Arthur Jafa seine monumentale Videocollage "Love Is The Message, The Message Is Death" in einem schwarzen Zelt. Die Struktur, das Gegenteil des White Cube, ist an die sogenannten revival tents aus den Südstaaten angelehnt, in denen traditionell Christen zu Gottesdiensten, Heilungszeremonien und Predigten zusammenkamen. Nun soll das Werk, das auch selbst sakrale Züge trägt, jedoch in einem anderen Kontext so vielen Menschen wie möglich zugänglich gemacht werden: dem Computerbildschirm.
Von Freitag, 26. Juni, 20 Uhr, bis Sonntag, 28. Juni, um die gleiche Zeit ist das Kunstwerk kostenlos auf den Websites von einem Dutzend internationaler Ausstellungshäuser zu sehen. In Deutschland läuft das Video auf der Homepage der Julia Stoschek Collection, die 2018 Jafas Einzelausstellung "A Series Of Utterly Improbable Yet Extraordinary Renditions" in Berlin zeigte. Die Aktion, die nach Angaben der Organisatoren mit dem Künstler abgestimmt wurde, soll die Solidarität der Institutionen mit der "Black Lives Matter"-Bewegung und den weltweiten Anti-Rassismus-Protesten ausdrücken. Seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizeibeamten wird auch im Kulturbetrieb wieder verstärkt über systemischen Rassismus und die Vormachtsstellung Weißer Protagonisten gesprochen.
Viele Museen haben ihre Unterstützung des "Black Lives Matter"-Proteste zum Ausdruck gebracht, doch nicht alle Aktivistinnen und Aktivisten halten die Gesten für aufrichtig. Zu lange habe die Kulturszene zu Verbechen und Ungerechtigkeiten der Geschichte geschwiegen - einer Geschichte, die sie selbst mitgeschrieben haben. Die plötzliche Erleuchtung käme viel zu spät und sei rein symbolisch, lautet die Kritik. Die ist offenbar auch bei den Ausstellungshäusern angekommen. "Wir sind uns bewusst, dass diese Geste in keiner Weise den Einsatz für soziale Gerechtigkeit von Organisationen und Individuen in unserer Gesellschaft ersetzt", heißt es auf der Website der Julia Stoschek Collection.
"Love Is The Message, The Message Is Death" ist aus gefundenem und selbst gedrehtem Material collagiert und nähert sich dem, was man die black experience in Amerika nennen könnte. Protagonisten der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung tauchen genauso auf wie Schwarze Popstars und Szenen von Polizeigewalt. Das Werk zeigt bildgewaltig, wie Identität immer auch aus visueller Repräsentation gebaut ist. Hier trifft Alltagskultur auf black excellence und die fortwährende Entmenschlichung Schwarzer Körper. Die Botschaft ist Liebe, aber eben auch Tod. Unterlegt sind die rhythmisch geschnittenen Aufnahmen von Kanye Wests Gospel-Track "Ultralight Beam", der dem Werk eine hypnotische, kathartische Qualität verleiht.
Jafa, der die längste Zeit seiner Karriere als Hollywood-Cinematograph, Autor und Musiker gearbeitet hat, steht für eine vollständige Überwindung der Gräben zwischen Pop und Hochkultur. Alles hängt bei ihm mit allem zusammen: Unterhaltung macht Politik, Youtube wird zum Menschheits-Archiv, und die amerikanische Ursünde – die Versklavung schwarzer Menschen und der daraus resultierende Rassismus – blutet noch immer in alle Bilder hinein, die wir heute konsumieren. 2019 gewann der Künstler in Venedig für sein Werk "The White Album", das sich auch auf die euphorischen Reaktionen Weißer Menschen auf seine Kunst bezieht, den Goldenen Löwen für das beste Kunstwerk verliehen.
Zusätzlich zum Stream seines Films hat Arthur Jafa zwei Roundtables einberufen, am 27. und 28. Juni jeweils um 20 Uhr. Die Gespräche mit Künstlern und Wissenschaftlerinnen werden live übertragen.