Bei einem öffentlichen Auftritt zeigte Jonathan Meese den verbotenen Hitlergruß: An diesem Donnerstag muss sich der Berliner Künstler vor Gericht verantworten. Der Sammlungsleiter für Gegenwartskunst am Städel Museum in Frankfurt, Martin Engler, glaubt, Meese laufe Gefahr, das Interessante seiner Arbeit mit der platten Provokation zu überdecken.
Was darf Kunst?
Die Frage ist nicht, was darf Kunst - sondern die Frage ist eher: Was muss Kunst leisten, damit sie neue Sichtweisen auf die Welt ermöglicht. Kunst muss immer an Grenzen gehen und diese auch überschreiten.
Macht es einen Unterschied, ob etwa Bushido in seinen Songs gezielt provoziert oder Meese den Hitler-Gruß zeigt?
Es macht für mich als Kunsthistoriker natürlich sehr wohl einen Unterschied, weil ich mich mit Kunst beschäftige und ich Meese in der Tradition sehe von zum Beispiel Anselm Kiefer, der auch vor 40 Jahren mit dem Hitlergruß ähnliche Provokationen geliefert hat. Der hat sich damals mit dem Hitlergruß an Stätten fotografieren lassen, wo auch die Nazis waren.
Regt sich die Kunstszene überhaupt noch über Meese auf oder ist der Wirbel um ihn nicht längst ein politischer?
Ich glaube nicht, dass es ein politischer oder gar ein gerichtlicher ist. In der Kunst regt man sich eher darüber auf, dass Meese ein ganz guter Künstler ist, der aber selbst vielleicht gerade Gefahr läuft, sich allzu sehr über den Skandal und die etwas platte Provokation zu produzieren - so dass das Interessante an seinem Werk nicht mehr richtig wahrgenommen wird.
Fühlen Sie sich denn ganz persönlich von Meese provoziert?
Durch ihn eh nicht. Wenn überhaupt, dann durch eine Geste oder eine Handlung. Man ist da eher verärgert über die Plattheit der Geste, als dass man sich wirklich darüber aufregen würde. Es ist auch ein Unterschied, ob das der Meese auf der Bühne macht oder ein Neonazi in der Fußgängerzone von Offenbach.
(dpa)
Eine Wertung des Falls von Anwalt Florian Mercker finden Sie in der neuen Ausgabe von Monopol, die am Donnerstag erscheint
Kunsthistoriker Martin Engler im Interview