Das Gewirr von Stromkabeln mutiert regelmäßig zu Pflanzengestrüpp. Offenbar werden die Zauberwälder und andere Landschaften von Philipp Fürhofer von Strom statt Sonnenlicht und Wasser versorgt. Der 1982 in Augsburg geborene Künstler baut Hybride aus Malerei und Objekt. Die Werke hängen als beleuchtete Acrylkästen an der Wand oder sie stehen als innerlich illuminierte Stelen im Raum. Fürhofer nutzt nicht allein schwarze und weiße Kabelage von absurder Länge als Zeichnung: Leuchtstoffröhren werden zu Strahlenbündeln arrangiert, als bräche die Sonne durch Wolkenlöcher oder Baumkronen.
Wie Fürhofers Beitrag für die "Diorama"-Ausstellung 2017/18 für die Rotunde der Frankfurter Schirn muss man die oben skizzierten Werke natürlich im Original sehen. Aber als Surrogat ist die reich bebilderte Fürhofer-Monografie gut gelungen. Fürhofers Bilder pendeln – von der Malerei-Komponente her – zwischen klassischer Landschaftsdarstellung und rohem Gestus. Dazu strebt das Bild in den Raum. Die Kästen, die inkorporierten Lichtquellen und die Spiegel öffnen die Malerei. Und nicht selten sind auch die Acrylkörper dynamisiert, tanzen aus dem starren Maß des rechten Winkels heraus. Daher sind einige Objekte zweimal abgebildet, von vorn und aus seitlichem Blickwinkel.
Solche Übergänge zwischen Malerei und Realraum kommen vor allem im Theater vor (heute seltener, aber Neo Rauch hat in Bayreuth mit dem "Lohengrin" gezeigt, wie es geht). Da Philipp Fürhofer nicht nur bildender Künstler, sondern auch ein erfolgreicher Bühnenbildner ist, enthält das Buch auch Bildbeispiele seiner Mitwirkung an Opernproduktionen in Amsterdam, Kopenhagen oder London und mit renommierten Regisseuren wie Kaspar Holten und Stefan Herheim. Auch Ausstellungsdesigns hat Fürhofer schon entworfen, zum Beispiel für die bis 30. August in der Kunsthalle München laufende Ausstellung für den Modeschöpfer Thierry Mugler. Kuratiert hat sie der Kanadier Thierry-Maxime Loriot, der zugleich Herausgeber des vorliegenden Künstlerbandes ist.
Eine existenzielle Erfahrung prägt das Werk
Ein Interview, das Loriot mit Fürhofer führte, sowie Texte von Emily Ansenk, Ulrich Baer oder Norman Rosenthal verorten das Werk kunsthistorisch oder behandeln die Wechselwirkungen zwischen darstellender und bildender Kunst im Werk. Als hätte man’s mit einem hochverdienten Altmeister zu tun, wird der noch nicht einmal 40-jährige Künstler mitunter geradezu abgefeiert. Ein Zug des Marktschreierischen, wie er sich auch in einem kurzen Beitrag von Rufus Wainwright zeigt ("You can sense his deep sensibility for music in the melodius and epical narration carried in his works …"). So ein Namedropping hat Fürhofer gar nicht nötig, und mehr noch: Es wirkt kontraproduktiv.
Zur Sprache kommt eine lebensgefährliche Herzklappenerkrankung, wegen der sich der Künstler während seiner Studienzeit einer Herztransplantation unterziehen musste. Eine Grenzerfahrung, die sichtlich Spuren in Fürhofers Praxis hinterlassen hat. Die Lichtkästen könnten als Röntgenschirme gelesen werden. Und auch die eigentümliche Verbindung von Technologie und Natur lässt Assoziationen zur Apparatemedizin zu. Als es ihm schlecht ging, las Fürhofer Trost Schriften des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy, der darin seine eigene Herztransplantation thematisiert und nun das Vorwort zum "(Dis)Illusions"-Band geschrieben hat. Vor allem die darin abgebildeten Werke lassen spüren, wie prekär das Leben ist. Nicht nur das eines Menschen, sondern das Leben der Welt.