Zu ihren spektakulärsten Aktionen zählte das "Tapp- und Tastkino": In der Wiener Innenstadt schnallte sich Valie Export 1968 einen Kasten vor die Brust und lud Passanten dazu ein, ihr durch einen Vorhang an den Busen zu greifen. Frau als Lustobjekt – so direkt formuliert kam das gar nicht gut an. "Kunst muss aggressiv sein", sagt Valie Export heute. Am Sonntag wird die als Waltraud Lehner geborene Künstlerin 80 Jahre alt.
Sie hätte den runden Geburtstag gerne gefeiert, doch die Party fällt wegen der Corona-Krise aus. Export sitzt die Epidemie in ihrer Wiener Wohnung mit Blick auf das Prater-Riesenrad aus und plant eine Nachfeier im kommenden Jahr. In Sachen Gerechtigkeit – für die die Pionierin des feministischen Aktionismus immer gekämpft hat – gibt es noch viel zu tun. So brauchen Krankenschwestern oder Verkäuferinnen, meint Export, "keinen Applaus, sondern eine bessere Bezahlung". Die Pandemie sieht sie als Chance für den Feminismus: "Diese Krise muss die Veränderung bringen."
1940 in Linz geboren, verliert sie ihren Vater im Zweiten Weltkrieg. Ihre Mutter zieht sie und ihre zwei Schwestern alleine groß. Sie rebelliert früh. Mit 18 wird sie schwanger, lässt sich vom Kindsvater schnell scheiden, lässt das Kind bei der älteren Schwester. Sie geht nach Wien, um Künstlerin zu werden. Nach einer Pornografie-Anklage wegen einer Buchpublikation wird ihr zeitweise das Sorgerecht für die Tochter entzogen.
In Wien arbeitet sie zunächst für den Künstler Friedensreich Hundertwasser und kommt dann mit Provokateuren ihrer Zeit wie Hermann Nitsch und Günter Brus in Kontakt. Doch zum engeren Zirkel des Wiener Aktionismus zählt Export nie, denn das Frauenbild der Künstler ist ihr viel zu verstaubt. Allerdings führt sie ihren damaligen Partner Peter Weibel einmal in Wien auf allen Vieren an der Leine Gassi.
Ihre Zigarettenpackung hängt im MoMA
In ihren frühen Videos, Fotoarbeiten und Aktionen steht sie meist selbst im Vordergrund. Berüchtigt ist ihre "Genitalpanik"-Aktion, die später zur ikonischen Fotoserie "Aktionshose: Genitalpanik" wurde. 1968 spazierte sie während eines Filmfestivals in München mit einer am Schritt aufgeschnittenen Hose in ein Kino und rief: "Was Sie normalerweise im Kino auf der Leinwand sehen, sehen sie jetzt in der Realität, ein Kino der Wirklichkeiten."
Ihr Künstlername sollte eigentlich in Versalien geschrieben werden: "EX-PORT bezieht sich darauf, den sicheren Hafen zu verlassen, neues Terrain zu betreten, sich neugierig auf das Unbekannte einzulassen und meine Gedanken nach außen zu transportieren", sagte die Künstlerin kürzlich in einem "Tagesspiegel"-Interview. "Der Name spiegelt mein Lebensgefühl von damals wieder. Die heute bekannte VALIE EXPORT Zigarettenpackung habe ich nach der Erfindung meines Künstlernamens später zu meinem Namens-Transportmittel montiert. Die Packung ist eine Montage und mein erstes Objekt."
Ihr Bild der umgewandelten "Smart Export"-Zigarettenmarke hängt bis heute im New Yorker MoMA. Auf der Venedig-Biennale von 2007 machte sie mit der Performance "glottis" von sich reden. Mit einer Kamera im Rachen rezitierte sie ein Gedicht über die Stimme. Der Körper ist ein zentrales Thema von Valie Export geblieben. Unter dem Titel "Fragmente einer Berührung" zeigt die Kunsthalle Baden-Baden ab 18. Juli eine Retrospektive, die neben großen Rauminstallationen auch eine Auswahl ihres filmischen Werks umfasst – präsentiert in einem speziell eingerichteten Kinosaal. Alles Gute zum Geburtstag, Valie Export.