Jetzt ist es offiziell: 2021 endet der Leihvertrag des Hamburger Bahnhofs mit der hochkarätigen Flick Collection – ein Verlust, der von mangelndem kulturpolitischen Weitblick zeugt
Es hatte sich schon länger abgezeichnet, dass Berlin bald auf ein wichtiges Konvolut zeitgenössischer Kunst würde verzichten müssen. Jetzt ist es offiziell: Wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mitteilt, endet der Vertrag mit dem Sammler Friedrich Christian Flick über die Leihgabe seiner hochkarätigen Sammlung am 30. September 2021. Im Jahr 2004 hatte der Hamburger Bahnhof die erste Ausstellung mit Werken aus der Flick Collection eröffnet. Die Rieckhallen, in denen seitdem die Sammlung in zahlreichen Wechselausstellungen präsentiert wurde, waren damals auf Kosten von Flick renoviert wurden.
Genau diese Hallen sind jetzt das Problem: Sie waren von Anfang an nur gemietet. So lange sie einer bundeseigenen Gesellschaft gehörten, schien das auch völlig in Ordnung. 2007 aber verkaufte der Bund seine Beteiligung an dem Gelände an eine private Immobiliengesellschaft. Und demnächst passiert, was in Berlin immer passiert: Die Hallen sollen abgerissen werden und Platz für lukrativere Immobilien machen. Und weder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz noch der Sammler können irgendetwas daran machen.
Das Problem ist seit längerem bekannt, und hinter den Kulissen hatten die Beteiligten versucht, andere räumliche Lösungen zu finden. Das ist offenbar gescheitert. Jetzt hallen die Klagegesänge durch Berlins Corona-leere Mitte: SPK-Präsident Hermann Parzinger "bedauert ganz außerordentlich", dass man die Zusammenarbeit nicht fortsetzen könne. Und der Direktor der Nationalgalerie Udo Kittelmann, der dem drohenden Verlust schon lange mit immer größer werdender Frustration ins Auge geblickt hat, ließ verlauten, die Nachricht sei in ihrer gesamten Tragweite zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehbar: "Es ist ein großer Schmerz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalgalerie und für mich, den wir darüber empfinden."
Eine kulturpolitische Fehlleistung
Während also das neue Museum der Moderne seiner Errichtung harrt, wird der Hamburger Bahnhof als Heimat der Zeitgenössischen Kunst demnächst dramatisch zusammenschrumpfen und die Stiftung Zugriff auf eine Sammlung verlieren, aus der man in den letzten 17 Jahren reich geschöpft hat. Eine kulturpolitische Fehlleistung, die man mit einem Minimum an Weitblick hätte verhindern können. Zur Eröffnung 2004 waren sie alle da, die Politiker aus Bund und Land Berlin. Dass man aber Museumsgrund nicht einfach an private Investoren verkauft, ist trotzdem niemandem in den Sinn gekommen.
Immerhin: 2008 und 2014 hat Friedrich Christian Flick der Nationalgalerie in zwei Schenkungen insgesamt 268 Werke überlassen, darunter Arbeiten von Absalon, David Claerbout, Stan Douglas, Dan Graham, Rodney Graham, Candida Höfer, Paul McCarthy, Jason Rhoades, Pipilotti Rist, Anri Sala und vielen anderen. Diese Werke bleiben Berlin erhalten. Und auch der Sammler selbst zeigt sich zumindest öffentlich weiterhin verbindlich und versichert, für Leihgaben und andere Kooperationen weiterhin zur Verfügung zu stehen. Fragt sich nur, wo genau die dann gezeigt werden sollen. Im Hamburger Bahnhof wird kein Platz mehr dafür sein.