Auch die deutschen Kunsthochschulen sind mit den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen des Coronavirus konfrontiert: Nach den Rückmeldungen zu einer Kurzumfrage für Monopol haben Hochschulen zumeist bis zum 20. April geschlossen (in Sachsen bis zum 3. Mai). Dies gilt auch für Werkstätten, Bibliotheken und bis auf wenige Ausnahmen für Ateliers. Lehrveranstaltungen in Präsenzform, Studienreisen oder Mappen-Konsultationen, aber auch Veranstaltungen wie Ausstellungen oder Konzerte sind vorerst abgesagt. Verwaltungen und Studiensekretariate sind telefonisch oder per E-Mail erreichbar. Prüfungen, die für März und April 2020 angemeldet wurden, sind entweder verschoben oder finden wie in Bremen im Fachbereich Kunst und Design unter gesonderten Bedingungen statt. Viele Hochschulen, wie die UdK in Berlin, informieren auf einer eigens eingerichteten Homepage über die Maßnahmen.
Ob und wie sich das Sommersemester 2020 gestalten wird, steht derzeit noch in den Sternen. Analoge Kursangebote, die reale Praxiserfahrung erfordern, müssen entsprechend verschoben und zu einem späteren Zeitpunkt angeboten werden. "Leider kann man derzeit keine endgültigen Aussagen über den Verlauf des Sommersemesters machen, aber wir gehen im Moment davon aus, dass die Lehre stattfinden wird", erläutert Angela Holzwig, Sprecherin der Akademie der Bildenden Künste München. "Selbstverständlich sind wir in Überlegungen und Planungen für andere Formen, seien es Blockveranstaltungen oder digitale Formate."
Jetzt ist nicht die Zeit für Farbenlehre
Viele Lehrende arbeiten derzeit im Home-Office und besprechen in Videokonferenzen, welche Plattformen für die Lehre geeignet sind, um Konsultationen oder Klassengespräche online zu ermöglichen. Im Grundstudium Buchkunst Grafik-Design an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst denkt man derzeit über ein "Quarantäne-Magazin" nach, an dem Studierenden kursübergreifend arbeiten und das – wenn wieder möglich – auch gedruckt werden soll.
"Ich finde es wichtig, jetzt nicht mit Farbenlehre weiterzumachen, sondern auf die Situation zu reagieren", erläutert Paule Hammer, seit zehn Jahren Lehrbeauftragter im Grundstudium. "Ich kann mir gut vorstellen, interessante Gesprächspartner digital zu interviewen und zu zeichnen, das Zuhause auf diesem Weg geistig zu verlassen." Aber auch Ideen wie die Entwicklung eines fiktiven idealen Staates mit eigener Währung oder zeichnerische Reisen in fremde Welten mit neuen Landschaften und Zoologien werden derzeit diskutiert. Über eine digitale Plattform sollen Studierenden ihre Beiträge hochladen und darüber diskutieren können.
Keine pauschalen Lösungen
Zu hoffen bleibt, dass auch die vielen Lehrbeauftragen, die zumeist selbst als Künstler arbeiten, trotz der veränderten Situation vergütet werden, denn Lehraufträge können nur bezahlt werden, wenn sie auch geleistet wurden. Hier müssen etwa die Regelungen zur Abrechnung von Präsenzzeiten des Lehrenden von den Hochschul-Verwaltungen flexibel an die Situation angepasst werden. "Nach heutigem Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass sich Veranstaltungen nur verschieben und sie zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden können", erläutert Silke Janßen von der Burg Giebichenstein in Halle. "In diesem Fall wird auch die Vergütung natürlich erfolgen."
Im Falle einer Absage einer vor Ort geplanten Lehrveranstaltung soll geprüft werden, ob eine Umstellung auf digitale Formate erfolgen kann. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Arten von Lehraufträgen und Lehre an einer Kunsthochschule könne dies nicht pauschal entschieden werden. Auch die Hochschule für bildende Künste Dresden klärt die Frage mit den Betroffenen und will Einzelfall-Entscheidungen treffen. In Bremen behalten bereits geschlossene Verträge ihre Gültigkeit, die Leistungen sollen nach Wiederaufnahme des regulären Lehrbetriebes nachgeholt werden.
Auch an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bleiben bereits geschlossene Lehraufträge bestehen. Insbesondere angesichts der unregelmäßigen Einnahmen aus Kunstverkäufen ist der finanzielle Anteil eines Lehrauftrags am Gesamteinkommen freier Künstler nicht zu unterschätzen: Paule Hammer aus Leipzig etwa generiert mit acht Semesterwochenstunden an der Hochschule einen fest einkalkulierten Beitrag zum Familieneinkommen, von dem er mit seiner Frau und zwei Kindern lebt.
Solidarität für Studierende in Not
Der Hochschule für bildende Künste Hamburg ist die Bedeutung der Lehraufträge "für die Existenz-Sicherung von Künstlerinnen und Künstlern bewusst“, so Sprecherin Beate Anspach. Sie geht momentan davon aus, dass die Lehrveranstaltungen nachgeholt werden, weil sich die Semesterzeiten verlängern. Alle Angebote, die digital durchgeführt werden können, finden ebenfalls statt. Dies beziehe sich auch auf Lehraufträge. Auch der Weißensee Kunsthochschule Berlin ist die Tragweite bewusst, erläutert Sprecherin Birgit Fleischmann: "Der Kunsthochschule ist es wichtig, soziale Härten bei den Lehrbeauftragten zu vermeiden und deshalb sucht sie bereits intensiv nach kreativen Lösungen zur Gestaltung der Lehre, die auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie eine weitestgehende Vergütung der Lehrbeauftragten ermöglichen, soweit der rechtliche Rahmen dies zulässt."
Die Hochschule für Künste Bremen denkt auch an die Folgen für Studierende: Die Leitung hat für Studierende, die in Existenznot geraten sind, einen Sozialfonds eingerichtet, in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Lehrende spenden können. Rektor Roland Lambrette und Kanzlerin Antje Stephan: "Die aktuelle Situation stellt insbesondere einige unserer Studierenden vor existentielle Probleme: Prüfungen müssen verschoben werden, Existenzgrundlagen brechen durch den Wegfall von Konzerten, Ausstellungen und anderen Nebenjobs insbesondere in der Gastronomie weg, Unsicherheiten bestehen mit Blick auf Visa und die Rückkehr in und Anreise aus Heimatländern. Wir sind von der Unterstützungsbereitschaft, der Flexibilität und der Solidarität zwischen Studierenden, Lehrenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung sehr berührt."
Uni-Bewerbung mit Smartphone-Fotos
Höchst unterschiedlich ist die Situation derweil für Studienbewerber: Während einige Kunsthochschulen die Bewerbungsphase bereits abgeschlossen haben, starten andere wie die Akademie in München erst im Juli 2020 mit den Aufnahmeprüfungen. Wenn dann noch nötig, soll das Verfahren angepasst werden. Vorbild könnten die Hochschulen in Braunschweig und Halle sein, an denen Mappen digital eingereicht werden. Die Burg Giebichenstein hat dafür ein Upload-Portal programmiert: "Der Upload-Prozess wird für die Bewerberinnen und Bewerber so einfach wie möglich gehalten, sodass technische Einschränkungen nicht zu Nachteilen im Rahmen der Eignungsprüfung führen", erläutert Sprecherin Silke Janßen. "Auch bei den Anforderungen für eine Digitalisierung der Mappe haben wir die Bewerberinnen und Bewerber gebeten, diese möglichst einfach umzusetzen, beispielsweise mit hochgeladenen Fotos von den Arbeiten. Das können dann auch Fotos vom Smartphone sein."
Im Fachbereich Design erhalten alle Bewerber im Mai daraufhin Fachaufgaben, die zu Hause umzusetzen sind. Wer die erforderliche Punktzahl für Mappe und Aufgabe erhält, wird zu einem Gespräch eingeladen, das, wenn möglich, im Juni stattfinden soll. Notfalls werde man auf Videointerviews ausweichen. Im Fachbereich Kunst erhalten die Bewerber, deren Mappe die erforderliche Punktzahl erhalten hat, im Mai Fachaufgaben, die zu Hause umzusetzen sind. Zudem findet im Mai auch das Gespräch auf digitalem Wege statt.