In den Fotomontagen bleiben zum Beispiel impressionistische Flanierszenen ohne Flaneure oder Flaneusen, weil diese stattdessen lieber zu Hause geblieben sind und sich brav an die Aufrufe zum "Social Distancing" halten. Und auch Van Goghs "Caféterrasse" bleibt wegen Ausgangssperre unbesucht. Selbst Jesus wird nicht von der Quarantäne verschont: In einer Version des bekannten "Abendmahl" von Leonardo Da Vinci bleiben alle 13 Stühle leer. Währenddessen freut sich die Mona Lisa über die ausbleibenden Besucher im Louvre in Paris und legt die Füße hoch.
Neben den Ausgangssperren geht es in den sich im Internet verbreitenden Fotomontagen oft auch um das "Hamstern" bestimmter Konsumgüter: In einem Meme hält Leonardos lächelnde Ikone gehortete Klopapierrollen fest umklammert, in einem anderen schiebt die Figur in Edvard Munchs "Der Schrei" einen ganzen Einkaufswagen rar gewordenes Klopapier vor sich her.
Während die meisten der Kunst-Memes zur Corona-Krise auf die immergleichen Pointen anspielen und aus digital bearbeiteten Klassikern der Kunstgeschichte bestehen, sind andere geradezu existenzialistisch: Die Nachkriegsbilder des US-amerikanischen Malers Edward Hopper haben im Netz momentan Konjunktur – zu unheimlich wirkt die Ähnlichkeit der Szenen in den Gemälden, in denen einzelne Personen allein in Cafés, Bars und Büros sitzen, zu denen, die sich zur Zeit in den sonst lebhaften Straßen in den Metropolen dieser Welt abspielen. Die bedrückende Leere in den Großstädten hat aber auch etwas Reinigendes, Stärkendes. Eben jene Ambivalenz, die Hopper in seinen Werken einfängt, macht ihre Aktualität aus.
"Hopper erzählte Geschichten, er malte existenzielle menschliche Grundsituationen, die von Melancholie und Vereinzelung handelten", erklärt der Filmemacher Wim Wenders die Verbundenheit, die man als Betrachter gegenüber den Figuren im Bild verspürt. Anlässlich einer großen Hopper-Retrospektive in der Fondation Beyeler, für die Wenders einen 3D-Film realisiert hat, widmete Monopol dem Maler im Februar die Titelgeschichte. Die Ausstellung nahm die Stimmung der Krise vorweg, wie Instagram-Posts mit Überschriften wie "We are all Edward Hopper Paintings" ("Wir sind nun alle Edward-Hopper-Gemälde") zeigen. "In der Zeit, als Hopper gemalt hat, gab es einen großen Pessimismus. Das war die Ära von Sartre und Camus. Ich habe Hoppers Bilder atmosphärisch immer mit dem französischen Existenzialismus zusammengebracht", fährt Wenders fort.
Besonders vielfältig ist die Motivwahl bei den Kunst-Memes nicht, die meisten der Ausgangsbilder wiederholen sich. Bei einem Großteil der Vorlagen handelt es sich außerdem um Werke, die regelmäßig in den Sozialen Medien und in der Pop-Kultur aufs Korn genommen werden, beispielsweise Munchs Schrei oder Hoppers "Nighthawks", die schon in der Kultserie Die Simpsons mitspielten, oder unter dem Hashtag #KunstgeschichteAlsBrotbelag auf Twitter trendeten. Besonders beliebt ist vor allem "Die Erschaffung Adams", in der die angedeutete Berührung der Fingerspitzen von Gott und seinem gerade erschaffenen Adam dank Sicherheitsabstand verhindert wird.
Einer, der es mit den Memes jedoch ganz ohne gestalterischen Aufwand übertrieben hat, ist der König der Provokation höchstselbst, Ai Weiwei. Auf seinem Instagram-Account postete der chinesische Künstler, der zuletzt mit seiner Aussage, deutsche Studierende seien faul und machten ihre Hausaufgaben nicht, viel Empörung erregte, ein Bild mit dem Text "Corona Virus is like pasta: The Chinese invented it, but the Italians will spread it all over the world." (Zu Deutsch: "Das Corona-Virus ist wie Nudeln: Die Chinesen haben es erfunden und die Italiener werden es über die Welt verteilen.") Bei diesem Witz blieb einigen angesichts der vielen Todesfälle in Italien das Lachen im Hals stecken.