Absagen, Verschiebungen, Initiativen

Corona-Updates aus der Kunstwelt

Das Berliner Gallery Weekend wird nun doch nur im September stattfinden, die Kunstmesse Frieze New York ist abgesagt, Frankreich verspricht der Kunst gewaltige Staatshilfen. Hier sind die Kunst-News zur Coronakrise am Ende der Woche 

Das Berliner Gallery Weekend wird nun doch nicht wie geplant im Mai und im September stattfinden, sondern nur im Herbst, nämlich vom 11. bis 13. September zeitgleich zur Berlin Art Week, die Ausstellungen in den Institutionen zusammenbringt. Wegen der Covid-19-Pandemie sollte das Gallery Weekend eigentlich zum ersten Mal in diesem Jahr doppelt stattfinden, im September dann mit größeren Veranstaltungen wie dem Gala-Dinner. Einige Galerien planen weiterhin, ihre angekündigten Ausstellungen dennoch im Mai zeigen. 

Auch die Berliner Messe Paper Positions ist vom Frühjahr in den Herbst verschoben.

Viele Kölner Galerien wollen als Trost für die in den Herbst verlegte Art Cologne Ende April einen Rundgang anbieten, allerdings wissen die meisten noch gar nicht, ob sie überhaupt ihre Ausstellungen während der aktuellen Situation organisiert bekommen, berichtet die "Kölnische Rundschau"

Während die Art Cologne für dieses Jahr in den Herbst rückt, überlegt die Art Düsseldorf, die sonst im November stattfindet, auszusetzen. Das sagte Messechef Walter Gehlen dem "Handelsblatt". Die Zeitung spekuliert, ob es nicht dauerhaft zu einer Termin-Rochade kommt: Art Düsseldorf ins Frühjahr, Art Cologne in den Herbst. 

Die diesjährige Ausgabe der Kunstmesse Frieze New York, die eigentlich Anfang Mai stattfinden sollte, fällt wegen der Ausbreitung des Coronavirus aus. "Die Gesundheit und Sicherheit aller an der Veranstaltung Beteiligten hat oberste Priorität", heißt es in einem Statement vom Mittwoch. Was aus dem Skulpturenpark im und am Rockefeller Center wird, der im vergangenen Jahr zu ersten Mal die Messe in den Stadtraum erweiterte, steht noch nicht fest. Die Aussteller sollen entschädigt werden, wie genau, ist noch offen. Die Frieze New York ist Teil der britischen Frieze Art Fair und findet seit neun Jahren auf Randall’s Island statt. 

Im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie will Frankreich die Kulturbranche mit 22 Millionen Euro unterstützen. Dabei soll es sich um eine erste Nothilfe handeln, wie das Ministerium am Donnerstag bestätigte. Von dem Hilfspaket sollen zehn Millionen in die Musikbranche fließen, fünf Millionen in den Bereich Theater, Tanz und Gesang, fünf Millionen in den Buchsektor und zwei Millionen in die Kunst. Weitere Maßnahmen sollen folgen. In Frankreich herrscht seit Dienstagnachmittag Ausgangssperre. Bereits zuvor wurden landesweit Museen und Opern geschlossen, Konzerte und Festivals abgesagt. Um die Krise zu überleben, rufen zahlreiche Hashtag-Initiativen der Kulturszene wie #JeGardeMaPlace und #SauveTonSpectacle zu Spenden auf. 

Shutdowns beeinträchtigen auch den Leihverkehr der Museen. Zwar läuft der Warenverkehr über viele Grenzen weiter, aber dennoch gibt es Unregelmäßigkeiten, Verzögerungen und Flüge fallen aus. Häuser schicken ihre Leihgaben nicht mehr auf den Weg, berichtet Yilmaz Dziewior, Direktor des Kölner Museum Ludwig. Also müssen die Daten in Leihverträgen und Versicherungen angepasst werden, was wiederum zu Mehraufwand für das Team führe. Für das zurzeit geschlossene Museum Ludwig heißt das konkret, dass einige Leihgaben aus der beendeten Wade-Guyton-Ausstellung nach Absprache mit Leihgeber vorerst nicht an diese zurück verschickt werden können (dann auch spontan Lagerplatz brauchen) und Leihgaben für die bereits verschobenen neuen Ausstellungen nicht ankommen. "Die Registratorinnen sind also gut beschäftigt und leider noch größerer Belastung ausgesetzt", sagt Dziewior. 

Geschlossene Museen experimentieren während des Shutdowns verstärkt mit digitaler Vermittlung. Die Institutionen sollten jetzt "kleine Geschichten erzählen", rät Monika Hagedorn-Saupe vom Institut für Museumsforschung in Berlin. Die Diplompädagogin und Mathematikerin koordiniert das vom Bund mit 15 Millionen Euro geförderte Projekt Museum4punkt0. Museen könnten jeden zweiten Tag oder einmal die Woche ein neues Objekt aus dem Haus auswählen und das online vorstellen." Ein Kunstwerk des Tages, ein Objekt der Woche. "Wir haben ja alle unsere Smartphones." Schon damit ließen sich ohne viel Aufwand kleine Präsentationen produzieren. Auch Kooperationen mit lokalen Medien seien möglich.

Der Instagram-Account @milanoartguide versorgt seine Follower eigentlich mit Ausstellungshinweisen und Ankündigungen zu Vernissagen und Finissagen in Mailand. Jetzt steht die italienische Stadt still, doch der Kunstführer lässt sein Publikum nicht allein, sondern hilft, die Zeit in Isolation und Langeweile mit dem Projekt "The Coloring Book" zu überbrücken. Das digitale Malbuch enthält Zeichnungen italienischer Künstler zum Herunterladen, Ausdrucken und Ausmalen. Beginnend mit Maurizio Catellan und seiner "L.O.V.E."-Skulptur sind so 42 Künstler mit jeweils einem Kunstwerk als Malvorlage vertreten. Ausmalen beruhigt ungemein.


Der Künstler Moritz Frei und die Schauspielerin Anne Hoffmann parodieren jeden Tag in ihrer Heimsatire "Corona Chronik" die als Mitgefühl verkleidete Panik in unsicheren Zeiten. Personal ihrer Heimvideos sind die beiden selbst als Urlauberpaar, das es nicht ins heimische Berlin geschafft hat, und nun vom Strand Grüße in die Heimat sendet. Mit Palmen im Hintergrund, Dialekt und der eifrigen Geschwätzigkeit derjenigen, die abseits stehen und sich richtig gut dadurch fühlen, dass sie so viel Mitleid haben. Und in der Umdrehung der Arroganz, mit dem der Westen auf den Süden schaut. Moritz Frei ist mit seinen Alltags-Skulpturen ("Kunstwerke des Tages") Experte für kleine Verschiebungen in der Realität. Der Corona-Alltag braucht eigentlich nur eine Fototapete, um zu Comedy zu werden. Wie sehr die Absage des kulturellen Lebens die freie Schauspielerinnen und freie Künstler in diesen Zeiten trifft, wird indes nicht nur zwischen den Zeilen dieser bitteren, kleinen Home-Satire deutlich.


Das Kunsthaus Graz bedankt sich mit einer Fassaden-Leuchtschrift bei Menschen, die zur Bewältigung der Coronakrise beitragen. Zwischen 18 und 24 Uhr ist zu jeder vollen Stunde auf der bespielbaren Medienfassade in Leuchtlettern "Danke allen, die helfen!" zu lesen. Eine Botschaft an Ärztinnen, Pfleger, Einsatzkräfte und im Handel tätigen Menschen, die uns gerade versorgen und dadurch besonders belastet sind. Sollte man nicht in Graz wohnen, kann man das schimmernde Danke auch im Livestream verfolgen. Für fünf Minuten zum Stundenanfang, dann wechselt es sich ab mit einer Arbeit des amerikanischen Klangkünstlers Bill Fontana. Seine Videostudie grafischer Gezeitenmuster wurde aufgenommen in der Bucht von San Fancisco, bei Ebbe. “Sie ist in ihrem Auf und Ab zu einem Symbol geworden für die Zeit von Covid-19. Dazwischen läuft der Satz: 'Wir danken allen, die helfen' – und damit wesentlich unsere Gesellschaft tragen“, so Kunsthaus-Leiterin Barbara Steiner.

Das Aachener Münster hat den Schrein mit den angeblichen Überresten der Heiligen Corona aus dem Depot geholt. "Namenspatronin für das Virus ist sie nicht", sagt die Sprecherin des Domkapitels, Daniela Lövenich. Die Namensgleichheit lasse sich vielmehr dadurch erklären, dass "Corona" aus dem Lateinischen komme und mit "die Gekrönte" zu übersetzen sei. Coronaviren wiederum sähen unter dem Mikroskop kronenartig aus. Eine Parallele gebe es dennoch: "Die Heilige Corona gilt unter anderem als Schutzpatronin gegen Seuchen. Das macht sie derzeit so interessant." Laut Legende soll Corona nur etwa 16 Jahre alt gewesen sein, als sie vor rund 1800 Jahren den frühchristlichen Märtyrertod starb. Ein römischer Statthalter habe die junge Christin mit Seilen zwischen zwei herabgebogene Palmen spannen lassen - durch das Zurückschnellen sei ihr Leib in Stücke gerissen worden. Kaiser Otto III. soll dann im Jahr 997 Überreste von Corona und vom Heiligen Leopardus von Rom nach Aachen gebracht und im Münster beigesetzt haben. Die Grabplatten sind bis heute im Dom zu sehen. Die Ruhe von Corona und Leopardus war 1910 erstmal vorbei, als ihre Bleisärge mit immerhin sechs Kilo Gebeinen bei Ausgrabungen aus der Gruft geholt wurden, um die Reliquien in einem eigens geschaffenen Schrein aufzubewahren. Das 98 Kilogramm schwere Reliquiar wurde 1912 fertig und hat die Form einer Kirche. Es soll bei einer im Sommer geplanten Ausstellung über die Aachener Goldschmiedekunst des Historismus gezeigt werden. Weil gerade so viel von Corona die Rede ist, hat die Domschatzkammer den Schrein jetzt schon aus dem Depot geholt, um ihn zu entstauben und zu konservieren. Die Gebeine selbst werden nicht untersucht. Sie befinden sich einem eigenen Behältnis, das versiegelt und verplombt in dem Schrein liegt.