Berge sind fotogen. Ihre Höhen versprechen Abenteuer, ihre Formen versetzen einen jeden in Staunen. Und doch: Gerade die Dolomiten mit ihren zerklüfteten Massiven und ihren steilen Riffen aus Kalk- und Dolomitgestein lassen sich nur schwer in Fotografien übersetzen. Mit ihren oft mehr als 3000 Meter hohen Gipfeln ragen sie oft weit aus dem Sucher eines gewöhnlichen Fotoapparats heraus; und die nicht selten schmalen Täler sowie die beschwerlichen Aufstiege zu den vielen Terrassen machen die Suche nach einem passenden Kamerastandpunkt recht kompliziert.
Dennoch, bereits in den Anfangsjahren der Fotografie gegen Ende der 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts haben waghalsige Kamerapioniere wie John Ruskin oder Gustave Dardel manch gefährliches Abenteuer in Kauf genommen, um die Gipfel ins rechte Licht zu rücken. Dabei waren es in der Frühphase der alpinen Fotografie nicht selten die langen Belichtungszeiten, die dem ersten Höhenrausch Grenzen setzten: Wer als Lichtbildner zwischen 25 und 40 Minuten in klirrender Kälte ausharren musste, bis sich ein stattliches Bergmassiv auf einer silberbeschichteten Kupferplatte einschreiben wollte, der überlegte es sich gern auch zweimal, ob er seine unhandliche und oft kostspielige DaguerreotypieKamera mit hinauf auf eisige Höhen schleppen wollte. Bergfotografie war in jenen Jahren vor allem die Kunst, Füße und Finger warmzuhalten.
Die Strapazen der Bergfotografie
Die ersten qualitativ hochwertigen Fotografien von alpiner Landschaft entstanden erst Mitte des 19. Jahrhunderts. In jenen Jahren erfolgten nicht nur viele der heute noch bestaunten Erstbesteigungen, auch die Fotografie trat mit dem sogenannten Kollodiumverfahren in eine völlig neue Phase ein. Zwar war auch jetzt noch jedes Bergbild hart erlitten, die Anforderungen aber hatten sich von der Kälteresistenz in die Körperkraft verlagert. Zahlreiche Träger waren jetzt vonnöten, wollte man die meist schweren Glasplatten sowie die zahlreichen chemischen Utensilien mit hinauf zu den schwindelerregenden Höhen der Bergmassive tragen. So wurde die Bergfotografie immer mehr zu einer organisatorischen Anstrengung, die sich mit unmenschlichen Strapazen verband.
Das Gewicht einer gängigen Fotoausrüstung schwankte nicht selten zwischen 120 und 250 Kilogramm. Und da man die nassen Glasplatten unmittelbar nach ihrer Belichtung entwickeln musste, errichteten manche in 3000 Meter Höhe eine Dunkelkammern aus schweren Steinen.
Ästhetisch stand zu Beginn vor allem die alpine Malerei Pate. Gipfel und Höhenzüge, die man bereits von den Leinwänden der alten Landschaftsmaler her kannte, gerieten in den Fokus der Kameralinsen. Doch das neue Lichtbild versprach nicht nur Liebreiz, es war zuallererst auf Realismus getrimmt. So ging es der Fotografie bald nicht mehr um die Darstellung von Erhabenheit; was zählte, war die wissenschaftliche Fassung des Alpenbogens. Geografie, Vermessung und Kartografie wurden zu den Leitbegriffen der Bergfotografen.
Massenfotografie dank Digitalisierung
Doch mit welcher Gesinnung auch immer so ein früher Fotopionier auf die Gipfel der Welt hinaufkraxelte, Fakt ist, dass die alpine Fotografie unsere Wahrnehmung verändert hat. Erstmals wurden Panoramadarstellungen möglich – weitwinkelige Aufnahmen, die die Zusammenhänge der einzelnen Gebirgsketten verdeutlichen konnten. Zudem entstand die Frühform des modernen Fremdenverkehrs. Die reproduzierbaren Lichtbilder nämlich, die die Fotografen auf Werbeprodukten in die Welt hinausschickten, überschritten die engen Grenzen der Dörfer und Täler und blieben selbst beim gehetzten Großstädter nicht ohne Wirkung.
Zwar mag es auch heute noch Bergregionen geben, die noch immer auf ihre "Durchfotografierung" warten, doch auch hier ist man auf dem Weg zum Gipfel: Mit dem Durchmarsch der digitalen Fotografie, mit Smartphones und besseren Objektiven ist ein schnelles und massenhaftes Abfotografieren der Natur möglich geworden. Davon werden selbst größte Bergriesen nicht unberührt bleiben.