Eine Ausstellung im Vitra Design Museum erkundet die Geschichte des privaten Wohnraums in all ihren ästhetischen und politischen Bedeutungen
Mit "Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs" stößt das Vitra Museum in Weil am Rhein eine neue Debatte über das private Interieur, seine Geschichte und seine Zukunftsperspektiven an. Anhand von 20 stilbildenden Inneneinrichtungs-Ensembles, darunter Entwürfe von Architekten wie Adolf Loos, Finn Juhl, Lina Bo Bardi oder Assemble, spürt die Ausstellung den großen Umbrüchen in der Geschichte des Wohnens nach.
Von den ersten offenen Grundrissen in den 1920er-Jahren über die neue Lockerheit in den 1960ern bis hin zu Mikrowohnungen, die mit platzsparenden multifunktionalen Interieurs auf den zunehmenden Platzmangel in Städten reagieren, dokumentiert die Ausstellung Evolutionssprünge, die unsere Wohnwelten heute wie selbstverständlich beherrschen.
Andy Warhols Factory, die den Bedeutungswandel des Lofts vom prekären Zuhause der künstlerischen Avantgarde zur glamourösen It-Behausung vorantrieb, findet ebenso Erwähnung wie die psychedelischen Polstergrotten Verner Pantons und die kunterbunt schrägen Möbel der Memphis-Gruppe, die unter anderem Karl Lagerfeld mit großer Begeisterung sammelte. Beleuchtet werden aber auch kulturelle Momente wie die Gründung des Möbelhauses Ikea, die sowohl eine Demokratisierung der Inneneinrichtung als auch eine Homogenisierung westlicher Wohnzimmer nach sich zog.
Ideologie im Badezimmer
Als Austragungsort ideologischer Konflikte offenbarte sich der Wohnraum in der Nachkriegszeit. Als "House of the Future" erschufen Peter und Alison Smithson 1956 ein Gebäude samt Schalttisch und selbstreinigendem Bad. Das vollautomatisierte Haus wurde zum Sinnbild des Fortschritts, erschien in den Science Fiction-Romanen Ray Bradburys und in Jacques Tatis Film "Mon Oncle" jedoch auch als antagonistischer und bedrohlich aseptischer Raum.
Die Ausstellung verdeutlicht die ständige Fluktuation von Wohntrends zwischen minimalistischer Praktikabilität und individualisiertem Ornament - und erzieht in Zeiten von Airbnb und Pinterest durch Klassiker wie Verner Pantons eigens für die Ausstellung nachgebaute "Fantasy Landscape" zu mehr Wohnhumor.