Nazi-Enthüllungen

Wie geschichtsblind war die Documenta?

Die Documenta hat den Westdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg einen kulturellen Neuanfang ermöglicht. Doch nun wird zunehmend über Kontinuitäten mit der NS-Zeit diskutiert. In der neuen Monopol-Ausgabe geht es um die Widersprüche in der Geschichte der Weltkunstschau  

Die erste Documenta 1955 in Kassel gilt als Gründungsmanifest einer neuen demokratischen Moderne in Deutschland. Doch dieser Mythos wird zunehmend hinterfragt. Neuere Forschungen haben enthüllt, dass es mehr Kontinuitäten mit der NS-Zeit gibt als bisher angenommen. So waren wichtige Ausstellungsmacher um den Documenta-Gründer Arnold Bode NSDAP-Mitglieder - allen voran der Kunsthistoriker und spätere Direktor der Neuen Nationalgalerie Werner Haftmann, der die ersten drei Ausgaben der Weltkunstschau maßgeblich prägte. In der Februar-Ausgabe von Monopol - Das Magazin für Kunst und Leben wird die Geschichte der D1 noch einmal jenseits der bekannten Neuanfangs-Erzählung analysiert. Denn es geht nicht nur um problematische Biografien der Beteiligten, sondern auch um ein verzerrtes Bild der deutschen Moderne, das auch auf der Documenta präsentiert wurde. 

Wie Historikerinnen und Historiker erklären, setzte Haftmann auf die Rehabilitierung der deutschen Expressionisten, deren Kunst von den Nazis als "entartet" diffamiert wurde, die aber laut seiner Darstellung in innerer Emigration im Untergrund weiterarbeiteten. Spätestens seit der Ausstellung "Emil Nolde: Eine Deutsche Legende - Der Künstler im Nationalsozialismus" im Hamburger Bahnhof in Berlin 2019 ist klar, dass dies ein Mythos ist. Und dass Haftmann eine wichtige Rolle dabei spielte, Noldes Sympathie für die Nazis im Nachhinein zu relativieren.

Dieser Vorwurf trifft nun auch die erste Documenta, auf der nach Meinung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Moderne instrumentalisiert wurde. Im Monopol-Report, der die erste Documenta als zeitgeschichtliches Phänomen untersucht, kommen unter anderem der Nolde-Experte Bernhard Fulda, die Kunsthistorikerin und Kuratorin Julia Friedrich, die Kasseler Documenta-Professorin Nora Sternfeld und der künstlerische Leiter der Documenta 14, Adam Szymczyk zu Wort. In der Debatte geht es einerseits um die Aufarbeitung einer noch immer tabubehafteten deutschen Nachkriegsgeschichte, andererseits jedoch auch um einen kritischen und differenzierten Umgang mit einem der wichtigsten Kunstevents der Welt, das nicht zur Marke werden sollte.   

Um diese Debatte geht es auch im Radiogespräch mit Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr bei Detektor FM.